Toni Erdmann
Filme im Flugzeug schauen, ist eigentlich nicht so mein Ding. Toni Erdmann jedoch hat super funktioniert. Ein Film epischer Länge, bei dem es jetzt nicht wirklich auf Bild- und Tonqualität ankommt. Zu diesem Film ist wohl schon alles geschrieben und gesagt worden. Mittlerweile ist ein Remake für den Amerikanischen Markt in der Mache, das sogar Jack Nicholson aus der Rente holt. Der Film hat außer dem Oscar so ziemlich alle Auszeichnung abgeräumt. So richtig schlecht kann Toni Erdmann also nicht sein.
Ich würd fast sogar behaupten, der Film ist richtig gut, wenn jetzt auch nicht wirklich originell. Filme mit Familie die sich entzweit hat, gibt es wie Sand an mehr. Toll ist, wie smart Autorin und Regisseurin die bekannte Formel neu interpretiert. Ich kann nicht sagen, was hier stärker ist, die Schauspieler oder das Drehbuch. Beides zusammen jedoch ist richtig stark. Beide Hauptdarsteller fesseln von der ersten bis zur letzten Sekunde, was bei einem Film dieser Länge was heißen soll. Ich bin beeindruckt vom Englisch der Hauptdarstellerin.
Weiteres perfektes Detail des Films – von dem ich ausgehe, dass es das US-Remake verlieren wird – ist seine Subtilität in perfekter Dosierung auf der einen, maßlos Absurdität auf der anderen Seite. Sobald es in das weniger subtile Extrem geht, schwächelt der Film.
Beide Hauptfiguren verändern sich im Laufe des Films nicht wirklich, aber darum geht es auf den zweiten Blick auch nicht. Es sei denn man interpretiert als Zuschauer immer große epische Reisen der Helden. Habe neulich die Behauptung gelesen es gibt nur zwei Geschichten: Homer’s Odyssee und die Jesus Geschichte. Wendet man die Schablone auf Toni Erdmann an, so landet man irgendwo dazwischen. Viel mehr ist der Film fast schon ein kondensierter Episodenfilm, über eine moderne kleine Familie und irgendwie Milieustudie über die moderne Arbeitswelt. Neulich während einer Zugfahrt musste ich live miterleben, wie Menschen ähnlich der Hauptdarstellerin hier ihren Job verrichten und spätestens als das die Aussage fiel „das enttraumatisiert sicher die Situation“ wollte ich meinen Körper verlassen, aber das ist ein anderes Thema.
Ich möchte diesen Film auf jeden Fall noch ein weiteres mal schauen. Beide Daumen hoch für Toni Erdmann. Besonders weil ich immer wieder über die hiesige Filmlandschaft schimpfe, bin ich mehr als glücklich darüber, dass es solche Perlen dann doch alle Jubeljahre auf die Leinwand schaffen.
2 Kommentare
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global $hemingway ?>Ich finde die Längen des Film einfach großartig. Sie geben Zeit zum reflektieren und überfordern dadurch nicht mit einem Getöse von neuen Eindrücken, wie es leider so häufig mittlerweile erforderliches Stilmittel zu sein scheint.Außerdem lässt sich an dem Film sehr gut erkennen, wer denn im Bekanntenkreis überhaupt noch die Fähigkeit besitzt mit Geduld an ein Werk heranzugehen und nicht auf Grund fehlender Konzentrationsfähigkeit vom Film angenervt ist.
Habe den Film ebenfalls im Flugzeug gesehen, hat sich irgendwie passend angefühlt, für dieses Werk. Und deine Beobachtung – „Ich kann nicht sagen, was hier stärker ist, die Schauspieler oder das Drehbuch. Beides zusammen jedoch ist richtig stark.“ – kann ich nur unterschreiben. Auch die Vorahnung, dass dem amerikanischen Abklatsch die Subtilität fehlen wird (auch wenn der Vergleich hinkt, man siehe: „REC“ und „Quarantäne“), halte ich für ziemlich wahrscheinlich. Schöne Zusammenfassung eines Filmerlebnisses!