Film des Tages – Cloud Atlas

Ich fand den Trailer eigentlich ganz spannend, auch wenn ich weder Tom Tykwer noch den Wachowski-Geschwistern groß vertraue. Dann kam aber der Hype (“Teuerster deutscher Film aller Zeiten”) und die Verisse (“Größter Wust aller Zeiten”) und nach ein paar misslungenen Anläufen (man muss ja auch erstmal nach Feierabend noch 3 Stunden Zeit haben) hatte ich dann irgendwie auch kein Lust mehr, den Film zu sehen. Um es aber kurz zu machen: Zuunrecht! Ein schöner Film.
Es drängt sich ein Aspekt in den Vordergrund: Das Humanistische. Ich denke, gerade, dass es vielleicht sogar unumgänglich ist. Man kann keinen Bogen über soviele Generationen und Epochen der Menschheitsgeschichte spannen, und dann nicht zuerst über das Menschliche erzählen. Der Gestaltschließungszwang zusammen mit den Gestaltgesetzen der Emergenz und der Reifikation lassen weder dem Autor noch dem Zuschauer eine Wahl: Es muss einen roten Faden geben, es geht nicht anders. Und dann gibt es nur zwei Optionen: Entweder man entscheidet sich für die Fatalistische oder eben für die Humanistische.
Man fühlt es im Grunde vom Anfang des Filmes an. Es ist die Art, wie erzählt wird, die von Anfang an unser Wohlwollen einfordert. Übrigens sind ja fünf der sechs Geschichten, Binnenerzählung der jeweiligen Protagonisten, und zwei davon werden sogar zu fiktiven Werken in jeweils zwei anderen Erzählungen. Wir dürfen dem Erzählten also eigentlich nur begrenzt Glauben schenken, tuen es aber trotzdem. David Mitchell, Tom Tykwer und die Wachowskies ziehen in den Schaukasten-Kino eine weitere Wand ein, die der Erzähler, die ihre Geschichte erzählen. Alle sechs Geschichten sind zutiefst humanistische Geschichten, Geschichten von Gerechtigkeit, von Liebe, von der Wahrheit, der Schönheit, vom Fortschritt, vom Kampf für die Gute Sache. Wie könnten sie es nicht sein? Sind sie doch die Lebensgeschichten der Protagonisten, die Geschichten der großen Wendepunkte in ihrem Leben, die zugleich mitunter die Wendepunkte für viele andere Menschen, ja sogar die ganze Menschheit darstellen.
Zu meiner größten Verblüffung funktioniert diese Sechsfaltigekeit der Geschichte. Klar, ein paar der Episoden hängen mehr oder weniger lose-kausal zusammen. Aber von einer Geschichte kann man nicht sprechen. Es sind nur Motive, Ideen, Archetypen die als rote Fäden wiederkehren. Und doch habe ich mich keine der 172 Minuten gelangweilt. Es war im Grunde sogar von Anfang an spannend.
Ich hab das Buch nicht gelesen und kann daher nicht sagen, in wie weit die Entscheidung von Tom Tykwer und den Wachowksis, die einzelnen Schauspieler des Ensembles in mehrere Rollen in mehreren Epochen auftreten zu lassen eine Interpretation oder eine Idee der Romanvorlage ist. Wunderschön anzusehen ist es alle Mal. Ich liebe es, wenn man Filmen ansehen kann, dass sie mal Theater waren, wenn sie ihre Inszeniertheit nicht verstecken. Cloud Atlas hat aus der Tugend obendrein ein Freude gemacht.
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