Bioshock Infinite
Ich muss was über ein aktuelles Blockbuster Spiel schreiben, auch wenn es nicht mein Spezialgebiet mehr ist. Nun ging es mir die letzten Tage nicht so gut, ein Bioshock Infinite war bei Steam kaufbar und ich hatte mehr Zeit als Verstand. Ein paar Notizen möchte ich zum Titel hier festhalten. Jeder der auch nur irgendwas mit dem Medium Computerspiel anfangen kann oder konnte, der sollte sich Infinite anschauen. Ich möchte mich auf nur drei Perspektiven auf das Spiel beschränken, was schwierig ist, da Infinite soviel Angriffsfläche für Diskussionen bietet.
Das Erlebnis Bioshock Infinite
Heute markiert ein Spiel wie Infinite den Zenit der Spielpyramide. Riesige Budgets mit endlos langer Entwicklung, episch großer Teams. Das Ergebnis ist nicht nur ein „Spiel“ sondern ein Erlebnis. Ich trenne das so explizit, weil dieser Titel nur in einer der Perspektiven fast makellos ist. Infinite ist buchstäblich der oft zitierte theme park ride und genau darin brilliert das Spiel und erklimmt relativ konkurrenzlos die Spitze seines Genres.
Infinite bietet eine perfekte Präsentation. Ich habe noch nie so eine schöne, detaillierte und semi-realistische virtuelle Welt gesehen, wie dieser Titel es bietet. Nach wenigen Minuten wird klar, wo die meiste Zeit der Entwicklung versunken ist. Bioshock in dieser Form ist atemberaubend schön, nicht nur aus Sicht des Designs, sondern auch was die Technik betrifft. Hätte nicht gedacht, dass noch mal jemand die alte Unreal Engine so pushen kann. Auch das Ohr genießt hier. Musik, Effekte, Stimmen, Skript: alles auf höchstem Niveau, wie es nur eine Hand voll Studios überhaupt mit so einer Größe umsetzen kann.
Genau dafür gebührt Infinite ein Ehrenplatz auf jeder Lieblingsliste. Es ist ein perfektes, interaktives Erlebnis, dass in dieser Form überhaupt keine Konkurrenz hat. Ich ziehe meinen Hut. Bravo.
Das Spiel
Damit hört mein Lob aber auf und es folgen ein paar negative Punkte, wie ich sie so in diversen Reviews bisher verzweifelt gesucht habe. Ich bin noch mit „echten“ Spielen aufgewachsen. Handlung, Logik, Charaktere, da musste der Kopf arbeiten. Umso solider war das reine Gameplay. Infinite geht den aktuellen Weg des Mediums und der sieht eben vor, dass Spielerisches für Präsentation und Handlung geopfert werden. Es wird sofort klar, wer hier bei der Produktion das Sagen hatte: Autoren und Künstler. Game Design stellt sich schön hinten an.
Der reine Anteil an typischen FPS-Momenten, beschränkt sich gefühlt auf maximal 30% der reinen Spielzeit. Diese 30% füllen sich mit Mechaniken, die das Niveau eines Doom kaum übertreffen. Es fehlt Fokus, aber sowas von.
Der Vergleich mit Half-Life 2 drängt sich zu sehr auf. Interessant ist die unterschiedliche Philosophie. Bei Half-Life 2 ist Handlung sekundär und ordnet sich dem Gameplay unter. Bei Infinite ist es umgekehrt. Im Prinzip hat man nach zwei Spielstunden Infinite alles gesehen, was das Spiel als Mechanik zu bieten hat. Der Rest ist immer „Mehr, mehr, mehr!“ ohne Sinn und Verstand. Zu viele Waffen, zu viele Superkräfte, zu wenig sinnvolle Anwendung. Die Kunst ist es eine simple Mechanik so lange wie möglich zu variieren. Nintendo stemmt mit Marios Sprung Dekaden von Spielen. Valve hat mit HL2, besonders bei den Episoden, das Gameplay für Single-Player-Shooter bis ins letzte ausgetestet. Infinite versucht es überhaupt nicht erst und verlässt sich auf antike Ideen.
Eines muss ich aber zugeben: die Mechanik der Luftschienen ist unglaublich toll und eine wirklich Innovation. Hier versucht der Titel auch mit zu spielen, aber am Ende fehlt dann doch die Genialität anderer Studios. Als pures Spiel ist Bioshock Infinite jedenfalls keine Meisterleistung. Es ist solide Hausmannskost, die man seit Jahren vorgesetzt bekommt.
Der Filmvergleich
Jetzt kommen wir zum für mich spannendsten Aspekt des Spiels. Es tut mir leid, aber ich kann mit dem Penis-Neid diverser Game Studios mit Blick auf Hollywood überhaupt nichts mehr anfangen. Wer Geschichten erzählen will, sollte sich einen anderen Beruf aussuchen. Es ist schwierig über den Titel zu schreiben, ohne seine absurden Details zu verraten. Ich versuche es mal.
Meine Spielzeit betrug am Ende knapp 15 Stunden. Die erste Hälfte davon waren großartig. Infinite etabliert eine spannende Welt, interessante Figuren mit dem Hunger auf mehr. Zum Ende hin wechselt das Spiel fasst sein komplettes Genre und mutiert zur teilweise lächerlichen, verkrampften und durch und durch unlogischen Science-Fiction-Oper. Selbst wenn die Handlung perfektes Sci-Fi wäre, ist der Bruch meiner Meinung nach zu aufgesetzt. Weniger wäre mehr. Subtilität ist eine Kunst, die das Medium auch mit Infinite nicht genießen darf.
Was ich respektieren muss, ist die insgesamt einzigartige Erzählstruktur. Am Ende schaue ich aber auf 15 Spielstunden und wie viel hängen gebliebenen Details des Plots? Ich liebe das Medium Film, weil es so unglaublich fokussiert ist. Jede Minute, jedes Wort, jede Szene zählt. Das Medium Spiel verschwendet zu viel Zeit, weil es am Ende auch Zeit füllen muss. Genau deshalb halte ich es für falsch, dass „Game Designer“ heute alles verkappte kleine Spielbergs seien wollen. Macht ein Spiel, oder macht einen Film. Mit diesem Hybriden wie Infinite es ist, kann ich am Ende weniger anfangen, eben weil es bessere Spiele und bessere Filme gibt.
Fazit
Auch wenn ich mich wiederhole. Bioshock Infinite ist ein Muss. Für alle Mängel, ist das Gesamtwerk am Ende fast der vorher gesagte Retter des Mediums. Ich persönlich bin danach traurig, dass es Valve nicht mehr nötig hat, ein neues Half-Life zu machen, denn in den mir wichtigen Kernaspekten, wischt Half-Life 2 mit Infinite den Boden auf.
Eine unspektakuläre Perspektive möchte ich auch noch anreißen. Ein Infinite war sechs Jahre in Entwicklung. Warum sieht man relativ schnell an der Optik. Mir ist kein Spiel bekannt, dass soviel Masse an detaillierter Grafik bietet. Der schiere Aufwand muss surreal sein, um solche Spektakel zu basteln. Ich bin unsicher, ob selbst so ein tolles Produkt, am Ende des Tages jemals Gewinn für Studio und Publisher schreiben wird. Besonders mit Blick in die Zukunft, sehe ich eine nur geringe Zukunft für Titel solcher Größe. Ein theoretischer Infinite Film ist finanziell ganz sicher heute das geringere Risiko, als so ein Computerspiel. Um eine Referenz zu haben: das aktuelle Tomb Raider ist das erfolgreichste Spiel der Serie und dennoch kein finanzieller Erfolg. Die steigenden Kosten, kann die Zielgruppe nicht mehr decken. Es ist ein Henne-Ei-Problem. Titel müssen mehr Menschen erreichen, aber mit höheren Kaufpreisen ist das unmöglich. Ich bin gespannt, wie sich Infinite für 2K rechnet, aber selbst so ein tolles Produkt, wird es schwer haben, auch auf dem Papier erfolgreich zu sein.
Sei’s drum, genießt ein Produkt wie Bioshock Infinite so lange es noch geht. Ich für meinen Fall bin zufrieden. Ich kann mich nicht erinnern, wann es das letzte mal ein Titel geschafft hat, mir so viel Lust auf Diskussion zu verschaffen. Unbedingt probieren!
1 Kommentar
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global $hemingway ?>Ganz genau. What he said: