
„Your medium is dying.“
Anlass dieses Artikels ist ein Video, dass die letzte Phase einer amerikanischen Tageszeitung dokumentieren soll. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass dieses Medium in Schwierigkeiten steckt und sich nun versucht überhastet neu zu erfinden oder um den weisen Nelson Muntz zu zitieren:

Ich habe keine Tageszeitung abonniert. Abonniert sind 2 Magazine, von denen eines sicherlich dieses Jahr kaum überleben wird. Eine Tageszeitung kaufe ich selten unregelmäßig am Kiosk. Offensichtlich bin ich nicht der einzige, bei dem die Tageszeitung als Informationsmedium wenig Bedeutung findet. Kommen wir zu ein paar Regeln beim Zeitungsdruck. Druck und Auslieferung einer Tageszeitung sind sehr teuer. Diese Kosten bezahlt man mit dem Kaufpreis. Kein Cent davon bezahlt die Informationen selbst. Kleiner aber wichtiger Hinweis. Die Information selbst bzw. die Redaktion wird in der Regel durch die Werbung finanziert. Brechen wie nun jetzt die Werbeschaltungen ein, ergibt sich ein gewisses Problem (und vielleicht auch schon die Lösung).
Was man auch sehr schön aus diesem Film erkennt ist die Generationsfrage rund um dieses Thema. Diese Zeitung scheint sich auf lokale Inhalte konzentriert zu haben und das Argument, dass eine Lokalzeitung nicht zu ersetzen sein, kommt immer wieder.
Was man dabei vergisst, ist die Frage nach der Zielgruppe für die lokale Information. Abgesehen von wenigen Metropolen, dürfte das Interesse an lokalen Inhalten sinken. Meine Zeit ist begrenzt und ich lese lieber über meine persönlichen Interessen, als über verschwendete Steuermittel lokaler Investitionen. Es ist ein Ansatz der sich zumindestens für eine Lesergeneration überholt hat.
Es ist schön wenn ein lokaler Redakteur engagiert aufdeckt, dass Bauer Hummel seinen Dreck in den örtlichen Fluss geleitet hat oder welcher Bürgermeister sich von der örtlichen Sparkasse hat schmieren lassen, aber sind das Informationen mit denen man ein überteuert produziertes Medium am Leben halten kann? Im Falle der Rocky News scheint sich die Frage nun beantwortet zu haben.
Zahl gefälligst
Klar ist, dass die Produktion von Inhalten, egal für welches Medium Kosten verursacht. Selbst wenn man das gedruckte Wort hinter sich lässt, wollen Online-Redakteure auch bezahlt werden. Das Modell der Onlinewerbung sollte auch dem letzten klar sein, wird hier niemals die Kosten decken. Nun schreien schon die ersten Stimmen nach Micropayments für Onlineartikel. Viel Glück dabei.
Der Ansatz einer Bezahlung auf Basis einzelner Inhalte ist illusorisch. Stellen wir die Frage mal in den Raum. Wer würde einen monatlichen geringen Betrag zahlen, wenn er eine ansehnliche, werbefreie Onlineversion einer Zeitung bekommen würde. Jeder? Sicherlich nicht. Einige? Definitiv. Ausreichen viele um die Produktionskosten zu decken? Vielleicht.
Die Information als einzelnes Element lässt sich nicht an den einzelnen Leser verkaufen. Vielleicht könnte man sich etwas bei Apple abschauen. iTunes lief erst wirklich erfolgreich, als mit dem iPod parallel ein Gadget erhältlich war. Ein iPod für Informationen muss her. Kindle ist ein erster Schritt, aber nicht weit genug. Es wird noch ein paar Generationen ePaper brauchen, um ein Gerät verkaufen zu können, an dass man monatliche Raten bündeln kann, um die reine Information finanzieren zu können.
Hier ist eine Generation zu ködern, die eher für das Erlebnis Information zahlt, als für die Information an sich. Dies ist ein Fakt, der nicht so einfach zu verstehen ist. Seit wenigen Jahren sieht man praktisch wieder überall Leute mit Kopfhöhrern herum laufen. Hat der Walkman zwischen 1990 und 2000 aufgehört zu existieren? Es brauchte erst einen iPod um das Erlebnis Hören wieder massenkompatibel zu machen. Nun braucht es eben den gleichen Ansatz für das Erlebnis Lesen.
Guten Morgen
Ich glaube ein komplettes Geschäfftsfeld hat hier verpasst sich anzupassen und bezahlt erst jetzt den Preis dafür. Die Anzeichen für den massiven Wechsel des Medium waren lange sichtbar. Kurzfristig gilt es zu unterscheiden zwischen überregionalem und lokalen Angebot. Die lokalen Zeitungen dürften noch Spielraum haben, weil hier die Produktionskosten geringer und die Kundenbindung dichter ist. Meine Großeltern werden sicher nicht ihre Zeitung abbestellen. Langfristig läuft man jedoch in die gleich Sackgasse, wie überregionale Zeitungen und Zeitschriften schon jetzt.
Man darf gespannt sein, was die nächsten Monate noch so passiert. Aber soviel sollte klar sein. Die fetten Jahre sind nicht nur für dieses Medium vorbei. Die Anpassung ist hart, aber wer es nicht schafft hat schon verloren.
Übergang und Chance
Die Übergangszeit wird sehr hässlich werden und nur die finanziell stabilsten Beispiele werden ohne radikale Personaleinschnitte weitermachen. Vermutlich wird man finanziell eine Überbrückungslösung suchen und auch die öffentliche Hand um Hilfe bitten, was derzeit ja echt angesagt zu sein scheint.
Persönlich sehe ich hier eine der besten Chance um das Onlinemedium besonders gestalterisch mehr als einen Schritt nach vorn zu bringen. Wenn plötzlich die ganzen Indesign-Setzer online gestalten sollen und sich fragen wo ihre vielen Optionen geblieben sind, dann besteht vielleicht die Chance, dass auch ein W3C hier dynamischer handelt, als es bisher der Fall war. Wenn sich der Fokus so massiv auf das Web verlagert wie es nun endlich den Anschein macht, dann müssen neue bzw. bessere Werkzeuge her.
Das wird eine sehr spannende Transformation werden.
3 Kommentare
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global $hemingway ?>Zu diesem Thema letztens über dies hier gestolpert:http://carta.info/5738/tim-renner-journalismus-internet-musikindustrie/
Chris – wie sooft – ein brillanter Text. Und ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Den Vergleich zur Musikindustrie hatte ich gestern auch schon im Tim Renner Artikel gefunden und als kurze Bookmarknotz bei mir hinterlassen: „Na, da freue ich mich ja schon drauf, demnächst für iNews arbeiten zu dürfen.“
Und natürlich Teile ich Deine Hoffnung, dass das Netz noch einen gewaltigen gestalterischen Sprung nach vorne machen könnte. Und ich Teile auch Deine Einsicht, dass weit bessere Werkzeuge brauchen. Es ist geradezu erschreckend mit was für einer Steinzeit-Technologie wie immer noch arbeiten müssen. Das scheint der Preis der ersten beiden W in WWW zu sein: Technische Weiterentwicklung passiert in planetaren Dimensionen und der entsprechenden Langsamkeit.
Vergleicht man die Verbesserung der Backendtechnologien mit denen der Frontend-Technologie, gibt es ein klares 10:1.
Aber mich für meinen Teil hält das ja nicht auf. Ich bin ja weder Programmierer noch Gestalter. Ich tu nur so und mach schön ein’n auf dicke Hose. Ich komm zurecht mit HTML/CSS und glaube, dass exzellente und kompromisslose Gestalter da mehr rausholen können. Der Haken ist nämlich nicht, dass die im Netz nicht arbeiten würden, sondern dass die Verlage das Netz immer noch nicht ernst nehmen. Verlegerische Webseiten werden immer noch nicht mit annähernd dem professionellen Anspruch entwickelt, den man im Print findet.
Und ansonsten: Ja, wir erleben der Sterben der Zeitungen. Gerade jetzt. Live. Das ist schon krass irgendwie.
Der verlinkte Artikel ist sehr lesenswert, wenn ich auch das Produkt Information oder sagen wir kurzlebige Information, nicht mit Musik vergleichen möchte, aber darum geht es primär auch nicht. Ich glaube sehr stark, dass heute mehr Nachrichten gelesen/gehört/gesehen werden als vor 10 Jahren, aber man den zusätzlichen Konsum nicht wirtschaftlich nutzen kann.
Sagt Mr. „ich bastel mir mein eigenes CMS“. Für’s Tiefstapeln bin ich doch da, weißt doch mittlerweile ;P
Nur um das noch mal klar auszudrücken, ich bin keinesfalls schadenfroh, dass wir sehen, was grad vor unseren Augen geschieht. Es ist sehr schade aber unausweichlich. Der latente Optimist in mir, sieht auch eine Chance nach dem Wandel. Was am Ende als gedrucktes Medium bleibt, sollte stärker als je zuvor sein.