Die Supernasen Quadrologie
Anfang der 80er, eine bis dahin immer gut funktionierende Formel, versetzt TV und Kino in Verwunderung. Für Dekaden ließen sich die Zuschauer mit großen Namen in die Kinos locken. Qualität des Materials war sekundär, Hauptsache, ein bekannter Name zierte das Werbeposter.
Auch der deutsche Film hat auf das Format gesetzt und bescherte uns große Klassiker des Klamauks, der Zoten oder auch des Blödelns. Eigentlich immer ähnlich, würde ich es als verfilmten Kindergeburtstag mit Erwachsenen bezeichnen und damit als konsequenten nächsten Schritt nach dem Heimat-Film der 50er und 60er, sowie der singenden Schlaghosen-Komödie der 70er.
Meistens alles Kassenschlager ihrer Zeit, aber absoluter Blödsinn aus heutiger Sicht. Für mich jedoch so spannend: All diese Werke sind absurde Zeitzeugen der damaligen Unterhaltungskultur, und das trifft mehr denn je auf die Supernasen Filme zu, die zur Schablone für das immer gleiche Format geworden sind. Man nehme eine oder mehrere Persönlichkeiten, die Leute ins Kino ziehen, und stopfe sie in zotige 90-Minuten-Gag-Feuerwerke, die tief unten ansetzen und ins Bodenlose sinken. Als spirituelle Enkel der Bud Spencer und Terrence Hill Filme ist die Filmreihe dann schon fast eine Parodie der Parodie und beweist schon damals, dass es keine Qualität braucht, um das deutsche Publikum im Kinosaal mit Hausmannskost zu mästen.
Mit diesen Filmen bin ich aufgewachsen und es gab immer eine Zeit im Jahr, in der irgendein, meist dritter öffentlich-rechtlicher Sender, alle Supernasen-Filme zeigte. Wenn ich mich recht erinnere, größtenteils im Frühjahr. Besonders in den letzten Wochen, sucht mein inneres mentales Ich nach medialer Wohlfühlkost, einer angenehmeren Zeit, und so habe ich wieder nachgeholt, was vor Jahrzehnten Tradition war: den Supernasen Marathon. Alle Filme streamen aktuell für lau bei Amazon Prime.
Piratensender Powerplay
Mit Piratensender Powerplay geht es los und zu diesem Klassiker habe ich schon einmal einen kurzen Anriss veröffentlicht. Der Film sticht klar aus der Serie heraus, auch weil er wohl noch die meiste handwerkliche Kompetenz genießt und nicht von den Darstellern selbst geschrieben ist … ach ja und natürlich Evelyn Hamann.
Bei meiner intensiven Recherche fand ich heraus, dass der Regisseur aus einem noch fokussierterem Genre hervorgegangen ist, dem Lederhosenfilm eine Domäne für Cineasten antiker Dirndl & Jodel-Kultur und das nationale Pornhub der 70er. Dementsprechend waren das sicher alles auch Kassenschlager und der Schritt zum weniger anrüchigen Film nur logische Konsequenz zu mehr Erfolg.
Gemessen an den folgenden Filmen ist Powerplay relativ harmlos an Szenen und Details die heute zu überdenken wären. Ich möchte nicht weiter auf das Thema eingehen nur soviel: Filme wie diese sind Zeichen ihrer Zeit und auch wenn vieles heute so sicherlich nicht mehr akzeptiert ist, früher galt es als massenkompatible Unterhaltung. Allein als Zeitzeuge einer vergangenen und heute absolut zu hinterfragenden Form der Unterhaltung, muss man diese Filme in ihrer ursprünglichen Form akzeptieren. Fortschritt ist auch weniger über Zoten von gestern zu schmunzeln.
Piratensender Powerplay ist Zwischenstation zur finalen Gottschalk-Krüger Schablone mit noch mäßigem Cringe-Faktor. Ist seichte Kost, die auch heute noch bei mir Nostalgie Tränen der Freude kreiert und ist mein Platz 3 im Quartet.
Die Supernasen
Offenbar war Piratensender Powerplay erfolgreich genug, dass ihre Schöpfer smart und fähig genug waren, die kommenden Filme mit jeweils einem Jahr Versatz zu veröffentlichen. Ich denke mal, man hat hier lange vor Peter Jackson’s Herr der Ringe das Prinzip des nahtlosen Filmens mehrerer Teile zu schätzen gelernt. Oh ja, in meinem Supernasen Artikel vergleiche ich mit Herr der Ringe Filmen. Die eine Reihe hab ich komplett gesehen, die anderen nicht. True Story. Egal, weiter im Thema.
Nach Powerplay übernehmen Gottschalk und Krüger die „Drehbücher“ und etablieren damit irgendwie schon den Charme der Serie. Nichts ergibt wirklich Sinn, alles ist eher eine Aneinanderreihung von Sketchen, und ein Plot scheint nach einem Toilettengang gefunden worden zu sein. Genau das macht die Filme so schmerzlos. Sie wissen, warum der Zuschauer sich hier ins Kino bewegt: nicht für den ausgefeilten Plot, nicht für die sozialkritische Milieustudie oder menschliche Dramen, sondern für all das Fehlen irgendeines gewissen Anspruchs an Film. Realitätsflucht in Fiktion, wo das einzige Problem zu sein scheint, als Herren in Damenkleidern nicht aufzufallen, oder fehlende Kaffeefilter im Haushalt.
Die Supernasen würde ich dann als Kombination zweier weiterer Subgenres einordnen: zum einen der Slacker-Film und 3 Engel für Charlie-Episode, also eher seichte Kriminalermittlung, bei der es um alles geht – nur nicht den eigentlichen Fall. Unsere Helden werden zu Detektiven und sollen im Fall der untreuen Gattin ermitteln. Von hier an übernimmt Fernseh-Akteur Dieter Pröttel die Filmregie und inszeniert die Szenen auch wie einen Fernsehsketch. Mit Supernasen startet auch ein gleich bleibendes Ensemble an Gastdarstellern in kleinen, aber feinen Randfiguren.
Teil zwei der Reihe legt beim Cringe-Faktor mehrere Schippen darauf, bietet aber auch mit der Dosen-Senf-Beschriftung auf Sahne-Leberwurst-Brot, das wahrscheinlich beste Symbolbild für deutsche Komik überhaupt.
Zwei Nasen tanken Super
Der dritte Film der Klamauk-Trilogie ist wie das Leberwurstbrot: Für Liebhaber genau das Richtige zu jeder Zeit, für Feinschmecker meist zum Davonlaufen. Der Fan bekommt, ähnlich wie bei Powerplay eher wieder ein Roadmovie präsentiert. Unsere Protagonisten durchstreifen die deutschen Lande auf ihren motorisierten Gäulen, natürlich per Zufall gewonnen, weil die Notdurft zu groß war. Was folgt, sind Szenen nach der Formel: Was passiert mit einem Fisch außerhalb seines Wassers? Unsere Helden navigieren selbst die einfachsten Hindernisse mit größter Anstrengung und Peinlichkeit zur Unterhaltung der Zuschauerinnen und Zuschauer.
Ich glaube, spätestens bei diesem Film verabschiedeten sich die Macher auch vom kleinsten Anspruch an ihr Werk. In puncto Peinlichkeit des Zuschauers im Jahr 2025 werden alle Schubladen gut gefüllt. Was Zwei Nasen tanken Super Irgendwie fehlt, ist ja fast schon der Charme der ersten beiden Filme. Hier wirkt alles eher uninspiriert und mehr Klamauk-Puzzle, ohne ein fertiges Gesamtbild im Auge gehabt zu haben, mehr zerbrochener Stein, als Mosaik. Am Ende ist alles dabei, was Fans sich wünschen, bis auf zotige Mike Krüger Lieder, sonst essenziell für diese Filme eigentlich.
Bonusfilm: Die Einsteiger
Nicht so richtig Teil der Reihe, so bleibt Die Einsteiger die beste Gottschalk-Krüger-Film-Produktion. Der englische Titel lautet Video Strangers. Uuuhhh – das klingt doch verboten. Die Einsteiger sind objektiv von all diesen Filmen der mit Abstand beste? Es ist immerhin sowas wie ein echter Film, mit Handlung, Setups, echten Figuren mit eigenem Spannungsbogen … ja, wirklich ein Film.
Zwar bedient man sich dreisterweise an den großen filmischen Vorbildern, aber macht ein eigenes Konzept draus. Krüger als verrückter Erfinder, der aus virtuellen Welten, echte machen kann. So sehen wir unsere Helden als Indiana Jones, Rocky, Dacula (RIP Udo Kier) und einiges mehr. Erstaunlicherweise stammt auch dieses Drehbuch vom Blödel-Duo persönlich. Offenbar haben sie zwischen den Filmen einige fremde Drehbücher gelesen. Selbst die Fremdscham ist hier etwa reduziert und der Film meidet viele 80er-Fallen seiner Vorfilme.
Der mit weitem Abstand beste Supernasen Film. Daumen hoch.
1 Kommentar
global $hemingway ?>Haha! Ich muss laut lachen. Ich bin latürnich auch ein Kind dieser Generation, aber bei mir sind die Supernasen nie so hängen geblieben. Ich bin eher Team-Bud-Spencer-und-Terence-Hill. Vor allem aber … ganz, ganz großartiger geschriebener Text! Ich hab nur selten eine so präzise und und gleichzeitig unterhaltsame Analyse eines Popkultur-Phänomens gelesen. Ganz grosses Tennis!