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Tod des Franchise
  • Mo., 13. März 2023
  • 3 Kommentare

Tod des Franchise

“Die gewissen Theorien, warum viele Franchises des Kino dieser Zeit, heute einfach auf keinen grünen Nenner mehr kommen würden mich sehr interessieren …”

Dieser Text ist etwas länger in Entwicklung und während des Schreibens lief meist Basil Poledouris Conan Soundtrack im Hintergrund. Was für ein Meisterwerk! Conan der Barbar war dann auch einer jener Filme, die wir damals bei einem Freund nach der Schule auf VHS geschaut haben. Größtenteils waren es Stallone und Schwarzenegger Klassiker, dazwischen auch mal toller Trash wie Howard the Duck. Das eine Zimmer wurde dominiert von der Filmrunde, im anderen hinteren Zimmer wurde gezockt. Überwiegend in Rotation, sodass die Verlierer dann immer wieder zur Filmrunde kamen und da wir die meisten Filme sowieso endlos oft geschaut haben, hat man niemals etwas verpasst. Und ich hatte einen Grund, möglichst schnell bei NHL 94 zu verlieren. Was für eine tolle Zeit, wenn ich mich heute darüber nachdenke.

Fülle und Fragmentierung

Auf der Suche nach einem Text für dieses Thema, sind am Ende eine Menge Argumente aufgetaucht, aber meine kleine Erzählung aus der Vergangenheit fasst den wahrscheinlich wichtigsten ganz gut zusammen und deutet einen anderen leicht an. Unser Zugang damals zu neuen Filmen war stark begrenzt, sodass wir gezwungen waren, einzelne Filme sehr oft zu schauen. Sowas hinterlässt Eindruck. Auch abseits der VHS war der Strom an neuen Veröffentlichungen reduziert. Große Kinofilme liefen das gesamte Jahr. Jede Woche drei oder vier neue Werke? Unmöglich, selbst wenn die wenigen Kinos setzten lieber auf Jurassic Park Woche 38.

Heute hat ein einzelner Film weniger Chancen, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Zu schnell und zu stark ist der Strom an neuen Inhalten.

Alternativen

Ebenfalls essenziell: was damals das Spielzimmer neben der Filmrunde war. Videospiele haben Filmen den Rang abgelaufen. Videospiele sind so gut, so zugänglich, so populär geworden und technisch so beeindruckend, dass die Realitätsflucht in Spielen viel intensiver ist und besser funktioniert, als es Filme können.

Wir haben damals Terminator und Aliens nur so oft geschaut, weil keine Konsole solche Bilder produzieren konnte. Heute jedoch ist es umgekehrt und Videospiele laufen Filmen schon lange den Rang ab, wenn es um visuelle Identifikation geht. Die 80er Jahre VHS-Optik findet sich heute in Echtzeit in fast jedem Spiel wieder. Neben Spielen laufen Internet und Co. dem Medium Film den Rang ab. Man hat nur zwei Augen und die verteilen sich auf immer mehr Bildschirmen. Auf wenigen davon läuft ein Film und wenn doch, dann mit mehr Ablenkung als jemals zuvor.

Hinzu kommt, dass Popkultur jeglicher Form seit der Popularität des Internets mehr und mehr fragmentiert, nicht nur bei Filmen, aber auch dort. Jene Filme, die jede Person locken, werden weniger und weniger, trotz der immer generischen Internationalisierung.

“The American Movie is dead”

Ich finde leider die Quelle nicht mehr, aber Anfang des letzten Jahres schaute ich ein Video mit einem Indie-Regisseur, welcher auch einen Lehrauftrag besitzt. Diese Person wirkte, als verstände er sein Medium ziemlich gut. Eine Kernaussage (zu einem ähnlichen Thema wie dieser Eintrag): der amerikanische Film sei tot, viel mehr sei heute jeder Blockbuster eine Verschmelzung vieler Einflüsse aus diversen Nationalitäten. Damit verliert ein Werk Charakter und wird mehr und mehr austauschbar, generisch wie jeder Film, der eine Woche später im Kino spielt.

Die Gründe dafür sind sehr zahlreich und verschieden. Mit der Globalisierung und Änderungen im Vertrieb wurde Film von Tag 1 nun zum globalen Produkt. China als einzelner zusätzlicher Markt wurde essenziell und Filme ließen sich besser verkaufen, wenn mindestens eine große bombastische Szene in einer Neon-beleuchteten asiatischen Metropole spielte. Ab den 2000er hat fast jeder große Action-Blockbuster ein solches Setpiece.

Steigernde Kosten ließen sich nur mit neuen Märkten decken und diese nur erschließen, wenn sich Zuschauer der Region auch irgendwie im Film identifizieren konnten. Das einstige Markenprodukt American made Blockbuster war Geschichte und hinterließ weniger und weniger Spuren bei seiner wachsenden Zielgruppe. Die amerikanische Filmkultur hatte gewonnen und verstarb noch am Ziel.

Parallel dazu, besonders in den letzten zehn Jahren, schlägt das Thema Vielfalt auch im Medium Film auf die Realität. Wenn ich mich korrekt erinnere, las ich vor einigen Jahren dazu einen Artikel über das Regelwerk bei Netflix. Bevor eine Produktion grünes Licht bekommt, müssen ganz klare Casting-Charakter-Regeln erfüllt werden. Das ist cool und in deren Handhabe, aber eben mit dem Nebeneffekt, dass irgendwie viele verschiedene Werke einen sehr ähnlichen Eindruck hinterlassen. So ziemlich genau das krasse Gegenteil zum Genre-Kino der 80er, vieles davon ganz klar aus heutiger Sicht mehr als zu hinterfragen, aber eben prägnant.

Harryhausens Erben und Tricktechnik

Ein weiterer Winkel des Themas zielt auf seine kreativen Köpfe und technologischen Fortschritt. James Cameron, Steven Spielberg, George Lucas, Ridley Scott. Zu ziemlich jedem großen Auteur dieser Generation, existieren Interview-Schnippsel wo mindestens einmal der Name Ray Harryhausen fällt und wieso auch nicht. Genre-Kino der oben genannten Namen griff Harryhausen Visionen auf, vom Kino der Magie und Wunder, realisiert durch surrealen Fortschritt der damaligen Tricktechnik.

Heute existieren wenige Grenzen. Jedes Bild ist realistisch produzierbar. Ich weiß nicht genau, wann ich das letzte Mal im Kino saß und von der Tricktechnik wirklich überwältigt war. Vielleicht der erste Jurassic Park Film. Diesen habe ich fünfmal im Kino gesehen. So überwältigend waren die Bilder für mich. Seitdem existieren 4 oder gar 5(?) Fortsetzungen. Keine einzige kommt dem Original auch nur in die Nähe, obwohl oder vielleicht gerade weil, Zeit und Ressourcen des Drehbuchs, lieber in die grenzenlose Computer-Tricktechnik gesteckt wird. Ich glaube, Tricktechnik ist so gut geworden, dass sich weniger und weniger Autoren Mühe geben müssen, mit einfachsten Mitteln, bombastische Eindrücke zu hinterlassen. Wer dies jedoch noch macht, bekam gestern 7 Oskars verpasst.

Wie überall auch, hat die Filmindustrie ein Nachwuchsproblem. Zwar existieren Ausnahmen, aber auch Hollywood hat es versäumt in eine Generation nach Spielberg und Co. zu investieren und wieso auch, läuft doch auch ohne neue Franchises super. Will sowieso kein heutiger Teenager mehr die ollen Star Wars Filme schauen, wieso also versuchen den Geist wieder in die Flasche zu holen.

Pekinpah, Ford und Co. waren irgendwann weg. Spielberg, Scott und Cameron sind auch als Rentner noch Feder-führend, weil der Nachwuchs bis heute es nicht geschafft hat, aus ihrem Schatten zu treten. Jedes Franchise, was an den Nachwuchs übergeben wird, hält dem Vergleich nicht Stand. Star Wars, Alien, Star Trek, Terminator. Wenn die Alten es selber machen, kommt was bei rum. Mad Max.

Nur noch Experten

Kommen wir zum Sargnagel des Themas. Zum fast leider buchstäblichen Totschlagargument. Als ich zum ersten Mal 1996 allein online war, suchte ich Filmforen auf. Suchte Gleichgesinnte, um den Geschmack zu teilen. Das ging auch ganz gut … eine Weile. Irgendwann wurden wir aber immer mehr Personen. Und plötzlich war da zu lesen ”Kubrick is completed overrated. 2001 is boring as fuck.” aus der kleinen isolierten Echokammer wurde wieder die Realität.

Fast schon 30 Jahre später beherrscht unser Störenfried von damals das Internet. Schlimmer noch. Heute sind wir alle Experten und Kritiker, deren subjektive Meinung die einzig Wahre ist. Und wehe, jemand sei anderer Auffassung. Filmkritik ist tot. Gemeuchelt vom Internet. Den Strick haben ich und viele andere damals mit um den Hals gelegt. Vom Sockel gestoßen durch Ain’t it cool News. Begraben von Meta-Critic und entweiht von Social Media. Amen.

Es findet kein wirklicher Dialog mehr statt. Geht nicht mehr, wahrscheinlich damals ebenso schwierig, aber heute mehr denn je wandert das Argument in den Hintergrund. Trailer-Analysen. Was für ein Schwachsinn. Heute wird ein Film öffentlich seziert, bevor der Zuschauer das Intro gesehen hat. Der kleinste gemeinsame Nenner als kreative Lösung. Unterhaltung, um sich plötzlich smarter zu fühlen, als man ist. Nirgends besser zu sehen am Star Trek Franchise. Wo ich früher manchmal Wörter im Duden nachschlagen musste, existiert heute … nichts.

Dass dieses Konzept Schwächen besitzt, zeigt Rotten Tomatoes seit Jahren. Oft klafft zwischen der bezahlten Kritik und Tante Trudes eine klaffende Lücke. Geschmäcker sind eben verschieden, oder war Tante Trude vielleicht doch abgelenkt von den YouTube Kommentare, dass die Trickeffekte ja aussähen wie PlayStation Grafik, dass eine dunkelhäutige Meerjungfrau ja völlig unrealistisch und nur politisch motiviert sei und überhaupt, denkt denn bitte niemand mehr an die Kinder?!

Kommunikation über jede Form der Unterhaltung ist zwar möglich, aber eigentlich wenig sinnvoll geworden. Zu unterschiedlich sind die Perspektiven, zu unsachlich die Motivation. Negative Emotionen verkaufen sich besser, also wieso überhaupt noch Werke kreieren, die allen Spaß machen? Auch wenn ich nun mehr als zynisch schreibe, aber das ist aus Medienkonsum und der Reaktion darauf eben geworden. Sich in einer Runde toller, gleichgesinnter Menschen ungestört einen Film anzuschauen. Wie oft kommt das noch vor?

Alles in allem

Laut statistischer Lebenserwartung habe ich die erste Hälfte meines Lebens hinter mir. Ob Film, Musik, oder Videospiel, wenn ich ein Fazit ziehen sollte, besonders mit Blick auf die letzten Dekaden, dann bin ich überzeugt, dass unsere großen Lieblingsfranchises der Kindheit so heute nicht mehr realistisch sind. Die Gründe dafür sind zahlreich. Manche unausweichlich, andere hausgemacht.

Ich hatte neulich eine Kritik zu Star Trek – Picard gesehen. Die erste Folge hatte ich mir als Fan von The next Generation angeschaut, um nach 10 Minuten zu wissen, dass dies wohl nichts für mich ist. Die Autoren des Videos waren meine Generation und teilen somit mein mediales Aufwachsen. Einer der Sprecher zog einen tollen Vergleich, nach dem eine Folge der Serie wirklich grandios zerrissen haben.

Was es für Menschen wie mich, glaube ich, so schwierig macht, diese Prozesse so mitzuerleben, ist wie die des großartigen Films Stand by me. Eigentlich klingt es ganz cool, aber wenn man die Leiche dann erstmal sieht, ist es furchtbar und man kehrt als völlig anderer Mensch zurück.

Gab letztes Jahr so einige Erlebnisse in meinem Leben, bei denen ich mir immer gesagt habe, “Erst dann werde ich wirklich erwachsen”. Heute würde ich die Abkehr der Lieblingsfilme und Serien der Kindheit dazuzählen, mit der Fußnote, dass ich mich nicht negativ verändert habe. Das ist sicherlich Quatsch, aber egal.

Ich schließe diesen Text mit dem Bowie-Interview. Ich bin überzeugt, es stimmt. Das Internet ist ein Alien und es hat Medienkonsum so radikal verändert – und wird dies auch fortsetzen – wie ich es mir niemals habe vorstellen können. Im Positiven, aber eben auch im Negativen und deshalb schauen wir demnächst Indiana Jones 5 1, mit der leisen Hoffnung wieder zurück in die Zeit zu reisen, als ich 12 Jahre alt war, im Wohnzimmer von Torsten vor dem Fernseher sitzend.


  1. Teaserbild kreiert mit Stable Diffusion. ↩

  • Schlagwörter:
  • Blockbuster,
  • Franchise,
  • Kino,
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  • Zeugs.

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3 Kommentare

  • #1
  • Di., 14. März 2023
  • Tod der Franchises – anmut und demut schrieb:

[…] Chris hatte das neulich im Gespräche schon mal fallen lassen, dass er die grossen Franchises für tot hält und hatte versprochen darüber mal zu bloggen. Das hat er jetzt gemacht: Tod des Franchise. […]

  • #2
  • Fr., 17. März 2023
  • Hard Ticket to Hawaii - coldheat.de schrieb:

[…] hab diese Woche einen Artikel veröffentlicht, mit der Aussage, der Amerikanische Film sei tot. Mit Hard Ticket to Hawaii sieht […]

  • #3
  • Mo., 27. März 2023
  • John Wick: Chapter 4 - coldheat.de schrieb:

[…] Ahnung, ob dies hier der letzte Film der Reihe ist. Falls ja, verabschiedet sich hier ein neues Franchise auf ziemlich hohen Niveau, genau so unzeitgemäß wie es vor acht Jahren begonnen hat. John Wick: […]

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