Film und Fernsehen (und Streaming) der 2010er
Dies ist Teil zwei meines medialen Abriss der vergangenen Dekade, der erste musikalischen Teil befindet sich hier.
Anfang der 2010er war mein Blick auf die Unterhaltungsindustrie insgesamt eher pessimistisch. Zu groß war (und ist) das Chaos, ausgelöst durch dieses Internet Dings, was ja eh nur eine Phase ist. Technologie war damals erstmals soweit, Video in ernsthafter Form in das eigene Wohnzimmer zu transportieren, um dem klassischen Vertrieb, Fernsehen und DVD/Bluray ernsthafte Konkurrenz zu machen. Rückblickend ist es die Zäsur mit einem Produktionsmodell, dass seit 100 Jahren keine wirkliche Disruption erfahren hat. Plötzlich ist alles anders.
Streaming übernimmt die Welt und wird nicht nur zur neuen Plattform sondern auch zu einem neuen „Genre“. Plötzlich kann Mitte der 10er jeder aus seinem Wohnzimmer heraus einen eigenen „Kanal“ betreiben. Vorbei sind die Zeiten der alles kontrollierenden Medien Module. Plötzlich kann jeder einzelne zum Programmdirektor werden. Der Erfolg dieses Inhalts ist schnell erklärt. Plötzlich kreierten Amateure Inhalte, die zwar qualitativ fraglich waren, aber die sie selbst sehen wollten und woanders nicht verfügbar waren. Die Zielgruppe erstellte plötzlich selbst Inhalte. Diese 1-1 Verbindung zwischen Erschaffer und Zuschauer ist das Geheimnis des Erfolgs und lässt das Medium weiter wachsen.
Hinzu kommt das große Technologie Unternehmen nun auch Massenmedien werden. Amazon und Netflix stecken plötzlich mehr Geld in Film und Fernsehinhalte, als es ganze Hollywood Studios können. Der klassische Kinofilm verliert an Bedeutung. Serienformate dagegen erobern die Welt und auch hier findet eine große Veränderung statt. Waren früher eine Folge der Serie für die ewige, alleinstehende Wiederholung angelegt (syndication) so änderte sich das mit dem Beginn von Pay TV und Streaming. Um den Zuschauer weiter zahlen zu lassen, kann er nicht mehr nur Folge fünf der dritten Staffel sehen. Auch hier hat das Medium Film versucht neue Wege zu gehen, repräsentativ dafür seien an dieser Stelle die modernen Bond Filme genannt. Vorher waren die Filme in sich abgeschlossene Werke. Heute sind einzelne Filme nur Episoden eines größeren Ganzen. Persönlich kann ich das nachvollziehen, finde es trotzdem weniger schön jetzt immer.
Streaming als Genre finde ich dagegen spannend, weil es zum einen neue Formate kreiert (Twitch) als auch Inhalte eine Zielgruppe bietet, die klassisches Fernsehen vor langer Zeit als nicht mehr lukrativ, abgeschafft hat. 2019 war dann auch das Jahr, wo ich mir wenige YouTube Kanäle abonniert habe.
Digital Foundry bietet mir einfachsten aber präzisen Zugang zu längst verschollenen Debatten bei Marc, um Auflösung und Framerates bei Videospielen. Alles toll produziert und die Referenz für Videospiel-Grafik-Nerds. Hinzu kommen Retro- und Specials wie Wasser in Videospielen. Großartiges Zeugs, kurzweilig und dennoch prägnant. Daumen hoch dafür.
Maangchi dagegen dient mir als Anlaufstelle für schnelle asiatische Küche. Das war es dann auch schon bei mir mit YouTube Inhalten. Irgendwie ist mir der Rest zu fremd und Angst einflößend. Diese wenigen Kanäle kann ich dann grad noch überschauen.
Der Klassische Film
Kommen wir zu meinem Brot und Butter Format, der klassische Kinofilm. Auch hier hat sich alles verändert in der letzten Dekade. Vieles zum Guten aber auch vieles in eine Richtung, die ich kritisieren möchte.
Ganz den Geschäftsmodellen, verteilen sich mittlerweile die Filmgenres. Disney hat sich ein Monopol für Blockbuster Kino erarbeitet, dass aber mehr und mehr eben doch einem Rummel Besuch ähnelt und weniger und weniger mit Kino zu tun hat. Disney wird weiter alles aufkaufen, was noch nach lukrativem Mainstream-Blockbuster riecht, aber viel bleibt nicht mehr übrig. Am Ende homogenisiert sich Blockbuster-Kino dann weiter, bis Zuschauer vielleicht dann doch genug haben, aber danach sieht es noch lange nicht aus.
Alles andere sucht sein Heil in der Flucht zu Netflix und Amazon Studios. Diese Anlaufstellen Wiederrum produzieren für jeden großartigen Film, zehn Rohrkrepierer. Dieses Verhältnis wird langsam besser, aber leider gibt es noch immer viel Schrott im Streaming. Fakt ist, dass außer Disney und Streaming weniger und weniger Film existiert. Die Welt des Films wird vielleicht etwas monotoner, aber das kann auch nur mein falscher Eindruck sein, denn ein großer Nachteil der Streaming Anbieter, ist eine sehr schlechte Vielfalt beim Zugang. Das Angebot ist einfach zu schlecht aufbereitet. Ich muss als Nutzer noch immer zu lange die wahren Perlen suchen.
Fury Road
Über meinen Lieblingsfilm der vergangenen Dekade, hab ich glaub ich auch hier schon genug dokumentiert. Für mich gibt es da keine große Konkurrenz. Mittlerweile hab ich Fury Road so um die 10 mal angeschaut. Drei mal im Kino, die anderen Male in der Heimkino Variante und immer noch bleibt mir in Szenen der Atem weg. Was ich jetzt schreibe klingt zwar vielleicht stumpf, aber ich versuche es trotzdem. Unabhängig vom eigentlich Endprodukt beeindruckt mich das ein Genre, das historisch eher von den Jungen Wilden dominiert wird, hier von einem Veteran nach Jahrzehnten Pause komplett neu-definiert wird, mit uralten Zutaten, welche die Jungen Wilden dagegen längst nicht mehr auf dem Schirm haben. Da kommt der Opa George Miller aus der Action-Kino Rente, benutzt sein altes Franchise als Trojanisches Pferd und räumt die komplette Industrie von hinten auf. Es gibt schon jetzt eine Epoche Film vor und nach Fury Road. Gut so.
Zusätzlich muss man noch Bonuspunkte verleihen, für die Chuzpe einen Mad Max Film zu verkaufen, dessen eigentlicher Protagonist eine Dame namens Furiosa ist. Hätte das Franchise mehr Fans, wären die Online-Trolle vor Gram sicherlich im Boden versunken. Stattdessen holt Furiosa 30 verlorene Jahre Heldinnen-Rückstand auf, ohne es krampfhaft zu versuchen, wie viele andere, die damit grandios gescheitert sind.
Das Wort ist heute maßlos überstrapaziert, aber Fury Road ist wirklich mehr Erlebnis und weniger Film und für mich ganz klar mit weitem Abstand, das beste was Hollywood in den letzten zehn Jahren produziert hat. Makellos, auch nach mehrmaligem Anschauen.
Erwähnen möchte ich an dieser Stelle noch einen andere Film, welcher hier im Weblog bisher unerwähnt blieb. Das muss sich sofort ändern. Get Out ist ähnlich wie Fury Road Genre-Kino, dass die komplette Konkurrenz ignoriert, welches seine eigene Schiene findet, welches zeitgemäß ist ohne dabei verkrampft zu sein und das seine Wurzeln respektiert aber auch ignoriert. Für mich der beste und wichtigste Horror-Film der letzten Jahre. Ich hatte viel über den Film gelesen und wollte ich wirklich nicht mögen, aber nach 20 Minuten waren diese Vorsätze dahin und Get Out entpuppte sich als irre guter Film, den ich bereue nicht im Kino gesehen zu haben.
Zusammengefasst hat sich Film und Fernsehen in den letzten zehn Jahren wahnsinnig schnell verändert und je nach Perspektive, zum Besseren oder Schlechteren. Was im alten Kino passiert, macht mir etwas Angst. Auf der anderen Seite ersetzen Streaming Plattformen ganze Genres, die Disney nicht mehr ins Kino rein lässt. Die vergangene Ära war auch dominiert von Sequels und Neuauflagen des Bekannten. Kreativ ist die Filmindustrie fast bankrott scheint es. Schaut man genauer hin, ist Film für die alten Studios einfach finanziell zu riskant geworden, dagegen für die neuen „Studios“ mit endlosen Budgets das große neue Geschäftsfeld.
Ich freue mich auf die kommenden Jahre. Allein die Tatsache, dass The Irishman weltweit am gleichen Tag in englischer Sprache und bester Optik bei mir im Wohnzimmer landet, treibt mir fast eine Träne ins Gesicht und lässt mich nostalgisch auf eine Zeit blicken, als wir auf VHS Börsen Jahre verspätet, für schlechte und illegale Kopien 50,- DM bezahlt haben. Meine Güte, wie hat Technologie die Filmindustrie mehr als einmal umgekrempelt!
Wir leben in einer echt tollen Zeit für Filmfans.
2 Kommentare
Für diesen Eintrag wurden die Kommentare geschlossen.
global $hemingway ?>[…] ist nun der dritte Teil meiner Zusammenfassung der 2010er. Film und Musik sind schon abgefrühstückt nun geht es also weiter mit dem Thema Video- und […]
[…] ist nun der vierte und letzte Teil meiner Zusammenfassung der 2010er. Film, Musik und Spiele sind schon verfügbar. Was folgt ist alles, was nicht so richtig in die anderen […]