Die 140 Zeichen des Ruhms
Ein weiser Prophet hat mal geschrieben: „Wenn man nichts zu sagen hat, einfach mal die Fresse halten.“ Ich gebe zu, auch ich kann mich der Zynismus-Welle des Internets nicht entziehen. Verdammt, die ersten Jahre war das Klugscheißen in gepflegter Zeilenform beste Online-Unterhaltung. Im Maniac-Forum importierte Spiele spoilern und dafür auf dem Forumstreffen verbale Schelte kassieren? Die beste Schule für pubertäre Online-Kommunikation. Nun schreiben wir aber nicht mehr das Jahr 1999 und irgendwie ist Online kein Sumpf für Nerds mehr, sondern Massenmedium. Mehr als ein Jahrzehnt später, ist ein Twitter die Kloake des modernen Internets.
Es ist zum virtuellen Volkssport geworden, möglichst zynisch Erste Welt Unterhaltung in jeglicher Form zu werten. Kritik als Massenphänomen. Das Einbahnstraßen System eines Twitter lädt ein praktisch dazu ein und pflegt seinen Status als Sammelstelle für den mündigen Onlinebürger, in dem es die Meisterwerke seiner Nutzer, als Gradmesser für das von der Industrie so heiß umworbene Konsumopfer verkauft. Man nehme ein pubertäres Forum Ende der 90er und kondensiere es zu einseitigen 140 Zeichen Kommentaren. Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen, widerwärtig ist nur, wie etabliertere Plattformen zur Meinungsbildung, sich an der Kloake orientieren.
Alles Mist
Bei den Simpsons gibt es die grandiose Szene des Sarkasmus Detektors. Ich wünschte mir diese Erfindung als Filterplugin für meinen Browser. Mir fehlt noch der treffende Begriff, aber Kritik in welcher sarkastisch-zynischen Form auch immer, verliert einfach an Wert, wenn sie so transparent wird, wie es heute der Fall ist. Ganz schlimm finde ich, dass große Medien solche privaten Ergüsse mit Aufmerksamkeit belohnen. Die modernen fünfzehn Minuten des Ruhms, ist die Verlinkung des zynischen „Wetten, dass…“ Kommentars, eines unbekannten, emotional labilen Mitbürgers, dessen Erste Welt Probleme sich im erzürnten 140 Zeichen Kommentar kristalisieren.
Widerwärtig ist, dass diese Nutzergruppe auch Zielgruppe ist. Früher war Unterhaltung ja immerhin noch zu teilen für die professionelle Kritik gemacht. Heute jedoch fallen alle Grenzen und Schlechte Presse ist Gradmesser für Erfolg. Der Online-Veriss von Katzenpfote#23, als virtuelle Oskar Auszeichnung. Was mich fasziniert und schockiert, ist die schiere Masse moderner, Online-Wutbürger. Wieder sechzehn Jahre lang Schwarz wählen, aber im Internet über alles und jeden schimpfen. Wir züchten hier eine Generation versauter Kritik. Kiritisiert wird nur noch virtuell per Tastenanschlag. In der Realität ist alles super. Statt dem Arbeitskollegen ins Gesicht zu sprechen, verfasst man lieber semi-smart formulierte Tweets, wie schlimm es von Neun bis Fünf doch so ist. Beavis & Butthead sind Realtität geworden und ja ich bin mir der Ironie dieses Weblog Artikels durchaus bewusst.
1 Kommentar
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global $hemingway ?>Ja., ja und ja. Ich bin ja nie gewillt, der Technik irgendwelche handlungsverändernde Macht zugestehen. Nicht Twitter ist an irgendwas Schuld. Die Menschen sind es selber. Sieht man das so, muss man sich schon fragen, was das für Menschen sind, denen es so viel Freude macht, so unfreundlich zu sein. Ein seltsamer Geist ist das.