
Die Illusion interaktiver Geschichten
Ok. Mass Effect 3. Noch nicht gespielt, aber ich fand die ersten beiden Teile wirklich nett, wenn auch maßlos überbewertet als Spiel, objektiv eher als Erlebnis angemessen kritisiert. Spannend beim dritten Teil ist die Geschichte um die Veröffentlichung und die Kritik um das Ende des Spiels. Für den weiteren Verlauf des Eintrags, ist es notwendig über Details zu sprechen, drum hier ein kurzer Abriss der Handlung.
Mass Effect ist Fan-Fiction auf hohem Nivau und bedient sich alt bekannter Elemente. Es ist eine klassische Heldengeschichte. Das Universum ist bedroht und unser Held muss eingreifen. Dazu gibt es den Puppenspieler, die wechselnden Helfer und mehr oder weniger wechselnde Bösewichte. Kern des Universums ist eine allem übergeordnete Bedrohung und eine Art Tor zwischen vielen Welten.
Das Ende ist offensichtlich ein Hybrid aus Matrix und 2001. Der Puppenspieler unseres Helden ist vom Bösen kontrolliert und die finale Entscheidung des Helden ist ala Matrix, ein sich wiederholendes Ereignis um wieder und wieder den Reset-Knopf zu drücken. Egal welche der Variationen der finalen Entscheidung der Spieler trifft, es sind nur Grautöne des schwarzen Ausgangs der Geschichte und der Reset-Knopf wird so oder so gedrückt. Allein vom Lesen gefällt mir so ein Ende sehr, wenn es auch nicht sehr originell ist, aber welche Sci-Fi ist das schon noch?
Viele sind davon offensichtlich weniger beeindruckt und erwarten ein typischeres Videospiel Happy End. Der Druck wurde so groß, dass Bioware selbst leider reagiert hat. Allein diese Tatsache zeigt, wie kindlich das Medium Videospiel noch immer ist, besonders wenn es um den Aspekt des Erzählens einer Geschicht geht. Was ich grandios finde ist Folgendes. Endlich öffnet Bioware der Masse die Augen, die seit vielen Jahren der Bioware Formel, immer noch an interaktive Geschichten glauben. “Ich entscheide über den Ausgang der Handlung!” Bitte? Wie naiv kann man sein. Jedes Bioware Spiel dieser Art ist 100% linear. Der Spieler kann an der Oberfläche kratzen, mehr nicht. Selbst dann sind die Optionen lächerlich binär, siehe das Ende von Knights of the Old Republic.
Darüber hinaus spielt noch ein weiterer Faktor mit, der den Aspekt der Fiktion dieses Mediums für mich noch lange Zeit schwächen wird. Es gibt keinen führenden Autoren. Viel mehr ist Videospiel Fiktion design by committee. Stimmt nicht? Ich zitiere einen ehemaligen Lead Writer der Serie:
Of course, some of you are also pinging me to find out what the “original” ending of the series was when we started planning out the trilogy. Sorry, but that’s not something I’m even going to attempt to answer. The collaborative creative process is incredibly complicated, and the story and ideas are constantly evolving as you go forward. Yes, we had a plan, but it was very vague. We knew we wanted to focus on some key themes and bring in certain key elements: organics vs synthetics; the Reapers; the Mass Relays. Beyond that, we didn’t go into detail because we knew it would change radically as the game continued to evolve.
Übersetzt heißt dass, man zieht sich die Ideen aus dem Arsch, nur ist es schöner formuliert. Wer glaubt, Studios wie Bioware hätten einen großen allumfassenden Plan für solche Franchises, tja der glaubt auch noch an den Weihnachtsmann. Um das ganz klar auszudrücken. Ich mag Mass Effect. Ich mag die Bioware Formel für diese Titel und ich mag so ein Ende, aber ich hatte auch nicht die Illusion, eine interaktive, fein entwickelte Geschichte zu spielen. Videospiel Fiktion bleibt Fiktion niederer Gattung. Mass Effect 3, die Reaktion der Fans und Macher beweisen es nur zu gut.
2 Kommentare
Für diesen Eintrag wurden die Kommentare geschlossen.
global $hemingway ?>Wow! Der Artikel ist ja gleich dreifach interessant.
Als erstes finde ich die These von der eigentlich abwesenden interaktiven Erzählung superspannend. Vielleicht liegt es ja gerade im Wesen der Erzählung nicht interaktiv zu sein … da bekomme ich gleich wieder Bock, die Narratologie-Einführung weiterzulesen, die auf meinem Nachttisch liegt.
Als zweites finde ich es krass, wie sehr ein Konzern schon im Vorfeld auf die Wünsche der Käufer eingeht, bevor das Ding überhaupt im Laden steht. Beeindruckend.
Und schließlich … das Ende des Autors. Es ist die ganz sicher eine der grausamsten Schwächen, ganz sicher aber auch die größte Stärke der Literatur, dass in aller Regel ein Mensch dahinter steht, der so gewaltige Werke auch nur deshalb erschaffen kann, weil sie auch nichts anderem als Worten bestehen.
Es würde sich sicher lohnen nachzuverfolgen, wie der einzelne Autor von Medium zu Medium an Einfluss verliert, bis wir schließlich bei den Mulitmillionen Gameproduktionen angekommen sind …
Dann
“Vom Lesen” klingt das Ende an sich nicht so schlecht, aber die Ausführung im Spiel ist sehr stümperhaft und plump. Die “Final-Hours”-App bestätigt, dass man sich, wie du gesagt hast, die Ideen aus dem Arsch gezogen hat, und das im Falle des Endes in beinahe letzter Sekunde, dem peer review im Team auch noch entzogen. Während der Entwicklung von Mass Effect 2 wurde zwar in die Zukunft geplant, dieser Plan wurde aber verworfen, als Drew Karpyshyn Bioware verlassen hat.
Für die Spieler bricht am Ende des Spiels nicht nur die Illusion zusammen, sie könnten den Ausgang der Geschichte wesentlich mitbestimmen, man wird auch mit einem Ende konfrontiert, das erzählerisch und handwerklich bei weitem nicht so gelungen ist wie der Rest des Spiels und zu diesem seltsam bezuglos dasteht, teilweise sogar in direktem Widerspruch. Mass Effect 3 ist kein schlechtes Spiel, aber ich habe viel Verständnis für die Fanreaktionen, denn Ende und Auflösung einer Geschichte prägen bekanntlich maßgeblich ihre Rezeption.