20
04
In Fight Club gibt es die Zeilen „Chloe looked the way Joni Mitchell’s skeleton would look if you made it smile and walk around a party being extra nice to everyone.“ Trevor Reznik ist wie Chloe. Mehr Gespenst als Mensch. Nicht nur das Äußere scheint von Problemen des Charakters zu zeugen. Die ersten Szenen des Films zeichnen der Figur mehr Kanten, als dem Zuschauer angenehm ist. Angenehm ist ein tolles Schlüsselwort. Wenn The Machinist eines nicht ist, dann angenehm. Es kein simpler Unterhaltungsfilm,. Dieser Film möchte in jeder Beziehung unangenehm sein.
Geplagt von Schlaflosigkeit leidet Trevor zu jeder Sekunde des Films. Das Aussehen des Charakters unterstreicht sein Leiden. Trevor arbeitet tagsüber in einem seelenlosen Job als Maschinen-Arbeiter. Seine schlaflose Nacht gehört zwei weiteren Charakteren des Films. Stevie ist eine Prostituierte, bei der Trevor sein schwer verdientes Geld lässt. Für Stammkunden wie ihn, gibt es mehr als die übliche Dienstleistung. Schon in der ersten Szene sehen wir vieles zwischen Trevor und Stevie. Sie bietet ihm mehr als Sex: Seelsorge, Freundschaft, Therapie und überhaupt jemanden zum Anlehnen. Stevie repariert, was Tevor selbst zerstört. Die zweite Frau in Trevors Geschichte ist Marie. Sie ist Ruhepool für Trevor und mehr als die Bedienung am Flughafen-Cafè, die ihm jeden Abend nicht nur die Tasse Kaffee, sondern auch ein Lächeln serviert.
Trevor’s Alltag ist bestimmt von Routine, welche im Laufe des Films in sich zusammenfällt. Der Arbeitsalltag wird plötzlich aus den Fugen gerissen, als Trevor in einen Arbeitsunfall verwickelt wird. An diesem Punkt öffnet sich der klassische zweite Akt. Jener Mitarbeiter namens Ivan, welcher Trevor kurz zuvor ablenkte, scheint ein unbeschriebenes Blatt zu sein. Niemand kennt diesen Ivan? There is no Ivan. Trevor’s Spirale ins Verderben dreht sich schneller und schneller.
Die Optik des Films lässt sich wunderschön als realistischen Comic bezeichnen. Alle Figuren sind in sich herlich überzeichnet, ohne unrealistisch zu wirken. Stevie ist die abgenutzte Blonde, Marie die strahlend reine Brünette, Ivan scheint eine Kopie von Marlon Brando in Apocalypse Now zu sein. Highlight ist jedoch Tevor selbst. Christian Bale hat für diese Rolle mächtig Federn gelassen, knapp 30 Kilo1 um genau zu sein. Es schmerzt schon die Figur nur zu sehen, der klassische Anti-Held. Hier sehen wir einen Zombie, der völlig ohne Makeup überzeugt.
Die wichtigsten Charaktere im Überblick. Von oben nach unten sind zu sehen: Trevor, Stevie, Ivan und Marie.
Die Details der Optik sind nett anzusehen. Wie auch der Eintrag hier dominieren kalte Farben die Bilder. Grau, grün, blau mit wenig Sättigung. Simuliert werden soll hiermit, wie auch Trevor die Welt sieht, was funktioniert. Es gibt ganz wenige Szenen im Film, bei denen warme Farben zu sehen sind, wenn das sind es Schlüsselelemente wie Ivan’s rotes Cabrio, oder die warmen Dialoge zwischen Stevie und Trevor, unterstrichen von einem warmen Farbklima der Umgebung.
Toll auch hier jene kleinen textfreien Szenen, die den Charakter formen. Wenn Trevor mit Zahnbürste und Bleiche den Boden in seinem Badezimmer reinigt, dann hat eine solche Szene selten so gut funktioniert wie hier. Die Kamera scheint sich hier mehr als einmal am klassischen Comic-Panel bedient zu haben und liefert so sehenswerte Bilder.
Auch die Ohren werden bedient. Die Musik im Film erweckt Erinnerungen an Hitchcock-Streifen, allen voran Psycho. Die Kombination moderne Optik und klassische Melodien passt hier wunderschön zusammen. Wie auch Optik, Regie und Darstellung, zeugt auch die Musik von einfach gutem Handwerk der Macher.
The Machinist ist ein kleiner Film. Wenige Charaktere, keine Actionszenen, wenige Drehorte. Was den Film groß macht ist in erster Linie sein Hauptdarsteller. Was für Rober De Niro Raging Bull, ist für Christian Bale dieser Film. Bale geht nicht nur körperlich an seine Grenzen. Es gibt keine Sekunde im Film, wo man ihm die Figur nicht abnimmt. Gleiches gilt für Jennifer Jason Leigh als Stevie. Eine ganz klassische und essentielle Nebenrolle, völlig unaufdringlich gespielt. Die Dialoge zwischen den Beiden sind textlich die Highlights und genauso kommen sie im Film herüber.
Natürlich setzt der Film auf ein Plot-Twist, der nicht neu ist, allerdings ist das hier nicht der Kernpunkt. Der Aufbau zum Wandel der Handlung ist genauso sehenswert, wie der eigentlich entscheidende Moment. Hier kommt nichts von hinten Links durchs Auge geschossen. Wenn der Höhepunkt der Handlung vor den Augen flimmert, sagt man weniger „Oh wow!“ sondern mehr „Endlich“, nicht weil der Film sich zieht, sondern weil man Trevor nicht mehr leiden sehen möchte.
The Machinist ist ein Film über einen ganz normalen netten und ordentlichen Typen, der einen Fehler begeht und dafür büßen muss, um am Ende des Films vom Leid erlöst zu werden. The Machinist hat mehr als einen Hauch Religiöses an sich. Obwohl das Ende irgendwie Licht ins totale Dunkel des Films bringt, bleibt The Machinist insgesamt ein Film der runterreißt. Es gibt nicht einen einzigen typischen sauberen Charakter. Jede Figur hat massive Ecken und Kanten, allen voran Trevor Reznik2 selbst. Dies scheint auch der Grund, wieso der Film keinen Anklang bei einem der großen Studios gefunden hat. Es ist eben kein typisches Hollywood-Material. Hier gibt es keine Blümchen und Bienchen, die im Sonnenuntergang den Film enden lassen. The Machinist ist hässlich und damit klassisches Indie-Material, dass mit ein paar großen Darstellernamen3, in Spanien produziert wurde.
In solchen Szenen zeigt die Optik im Film ihre wahre Größe. Schön und gleichzeitig unangenehm.
Der sicherlich größte Makel im Film ist sein Wiederholungswert. Der Film glänzt nicht mit wirklicher Tiefe bei Dialogen. Die Sprache ist funktionell und mehr auch nicht. Zusammen mit dem Wandel der Handlung, wird man sich diesen Film kaum öfters ansehen. Ein zweites Ansehen lohnt sich, weil dann beeindruckt, wie logisch die einzelnen Teile des Rätsels im Film platziert sind. Der Aufbau zum Höhepunkt bzw. Wandel der Handlung, ist mathematisch exakt ausgeführt, im Gegensatz zu z.B. Fight Club.
Grundsätzlich ist alles im Film schon mal irgendwo vor zu sehen gewesen, selten jedoch so nahtlos und gekonnt umgesetzt. Die Grundstruktur ist gut zusammengeklaut und dennoch oder gerade deswegen unterhaltsam. Wenige Charaktere haben Schwächen. Ivan ist irgendwie zu stilisiert. Auch wenn man die Aufgabe der Figur verstanden hat, dieser Marlon-Brando-Look-a-like wirkt einfach deplaziert. Einige Szenen im Film lenken zu sehr vom Kern ab. Der gesamte Subplot der Mutter-Sohn-Kiste, ist zu sehr mit der Faust aufs Auge. Weniger wäre hier mehr gewesen. Gleiches gilt für die Geisterbahn-Szene.
Ich hab den Film so sehr ins Herz geschlossen, weil dieser Trevor irgendwie mehr als eine Ähnlichkeit zu mir bietet. Auch ich hab meine regelmäßigen Phasen, in denen Schlaf unmöglich wird. Auch ich muss um jedes Kilo zusätzlich kämpfen (Fluch oder Segen), auch mein größter Fehler im Straßenverkehr beruht auf einem unglücklichen Moment der Ablenkung, zwar ohne Personenschaden, aber immerhin.
Wer an Taxi Driver oder Fight Club Gefallen gefunden hat, wird hier auch bedient werden. The Machinist ist ein nicht ganz so purer guys movie wie die anderen zwei. Einmal anschauen und so schnell nicht mehr vergessen. Fazit: Daumen ganz klar nach oben, für einen hervorragend Christian Bale in einem kleinen aber feinen Streifen. Ein 1-Character-Movie, der wunderschön umgesetzt ist und leichteren Zugang als ähnliche Filme bietet. Ein toller Film, der meistens nur beim Umschalten im Nachtprogramm ins Auge springt, 90 Minuten fesselt und eine Weile im Gedächtnis bleibt, bis man dann die DVD im Wühltisch für 3.99 Euro liegen sieht. Eine surealistische Psychostudie mit Klasse.
Nicht vom verpixeltem Vorschau-Bildchen abschrecken lassen. Die Bildqualität des Trailers ist wirklich ok. Weit besser als das übliche YouTube-Niveau.
Bale’s Film nach diesem war seltsamerweise Batman Begins, für den er wieder massiv an Gewicht zulegen musste. ↩
Die Ähnlichkeit des Namens zum NiN-Mastermind Trent Reznor, sind nicht zufällig. ↩
Ein weiterer Bekannter hier: Genre-Veteran Michael Ironside als Miller, ein Schicht-Arbeiter wie Trevor. ↩
10 Kommentare
Für diesen Eintrag wurden die Kommentare geschlossen.
funktioniert sehr, sehr gut. coldheat bleibt… aber die stimmung des films fließt geschmeidig hinein. ich kenne the machinist nicht… aber die rezension klingt viel versprechend.
»irgendwas zwischen blog und magazin« nimmt mehr und mehr gestalt an… verschiebt sich das ganze hier sehr in richtung magazin, so war der letzte artikel ein typischer blogeintrag. und ich weiß genau, warum die kommentare hier so eine hohe qualität haben… die seite selbst steht diesen in nichts nach — mehr davon.
kleiner schönheitsfehler: im safari ist noch ein scrollbalken quer unter dem kommentarbereich.
Wah, das ist kein kleiner Schöhheitsfehler, eher ein mittelmäßiger GAU. Das kommt davon, wenn man sich nur die neuen Elemente anschaut. Kurz nach der Veröffentlichung kamen auch im Hintergrund etliche Makel ans Licht. Egal, der Safari-Bug scheint das letzte große Übel zu sein. Mal schauen.
Update 1: Übeltäter hab ich schon. Trailer habe ich heute erst reingenommen und nicht auf allen Browsern nochmal getestet. Sollte gleich alles behoben sein.
Update 2: CSS-Lösung dauert doch länger, hab erstmal die eine letzte Randbemerkung rausgenommen, diese in Kombination mit dem Trailer, verursacht den Fehler. Nehme ich ein Element raus, ist alles ok. Sind beide im Float, kommt der Scrollbalken, irgendwie entsteht da ein riesiger Margin-Wert. Sehr seltsam.
Update 3: Fixed. Wenn auch ohne echt zu wissen, wieso Safari da rumgesponnen hat. Viele Wege führen nach Rom und der zweite ist Safari wohl leichter zu laufen.
Krass
Klingt sehr interessant der Film. Werd ich mir gleich mal vormerken.
Wo ihr hier schon mal von kleinen Bugs redet… Seit kurzem fällt mir da ein kleiner Fehler auf, direkt unter dem Feld „irgendwas zwischen blog und magazin“. Hab hier mal ein Foto gemacht. http://img.skitch.com/20080711-ntsi2ajuuk7qunwa5fkmmmtham.jpg Möglicherweise wieder so ein Safari-Ding. Da du in deinen Beiträgen ja schon des öfteren den Verflixten „einen“ Pixel erwähnt hast, dachte ich mir, das interessiert dich vielleicht 🙂
Der verflixte Pixel sollte nun auch behoben sein. Ist ein grundsätzliches Problem. Wer alle CSS-Mittel ausgiebigst zur Schriftgestaltung nutzt (grenzwertig bei mir am Kopf der Seite), der merkt schnell, dass Browser eben noch immer anders mit relativen Größen arbeiten. Zeilenhöhe ist hier ein Schlüsselwort.
eh man du bist hier anscheinend ständig dabei meine lieblingsmovies zu rezensieren ;D das wird jetzt aber langsam etwas creepy ^^^
Sag mal … weißt Du, ob die Special Edition Lohnenswertes enthält? Länger scheint sie ja schonmal nicht zu sein.
Also ich habe diese DVD zur Grundlage genommen. Es gibt nur einen Cut und ich sage mal so: ich habe schon besseres Zusatzmaterial gesehen. Ist eine Frage des Preises. Ich hab den Film recht günstig auf dem Grabbeltisch gesehen und der Sammler in mir greift dann mal eher zur sinnlosen Sepcial Edition, wenn es nicht gleich den doppelte Preis ausmacht. Bei einigen Filmen ist das Zusatzmaterial ein Muss. Hier ist es „nur“ sehr nettes Beiwerk.
Na dann ist die Entscheiung ja klar. Danke!
Wohow … Aaaalter! Du hast wirklich viel weggeworfen! Krass!