Spaziergang auf der Klinge des Messers
Seit einiger Zeit lese ich ab und zu bei dreisechzig.net. Dies ist ein PR-Blog des deutschen XBox Produkmanagers, wobei wir hier ganz offensichtlich einen Corporate-Blog/Business-Blog vorfinden. Zwischen den nicht vermeidbaren „unser-Produkt-ist-besser-als-das-der-Konkurrenz“ Artikeln, finden wir auch wirklich sehr Lesenswertes. Der ganz frisch betitelte „Über Jugendschutz, Importe und Brüste“ ist so ein lesenswerter Text. Man merkt an allen Texten sehr deutlich, dass die Zielgruppe der Xbox360 eine reifere ist, als man dies vom Produkt Videospiel gewöhnt ist.
Dieser aktuelle Eintrag zeigt auch, wie schwierig es ist, der deutsche Produkt-Manager zu sein, welcher zwischen drei Fraktionen balancieren muss und dabei möglichst nicht einer auf den Schlipps treten darf. Zum Thema Klassifizierung/Indizierung von Medien in Deutschland ist genug geschrieben worden, spannend dennoch nun den schwierigen Standpunkt aus der Sicht eines Produk-Managers zu erfahren. Dieser Text steckt voller Gold:
Genauso geht es mir mit Dead Rising. Die Grundidee wär ja sogar noch irgendwie spannend. Wenn ich dann aber höre, daß eines der Spielfeatures ist, möglichst gute Fotos zu schießen, während ein Mensch von Zombies gefressen wird, und das sogar geschickt herauszufordern, weil es für diese Fotos besonders viele Punkte gibt, dann frag ich mich auch, aus welchem Material die Pumpe ist, die bei den Spieldesignern das Blut durch die Adern treibt.
Dead Rising. Der erste große Titel eines japanischen Publishers und einer der Most-Wanted-Titel für diese Plattform. Nun scheint es gewisse Schwierigkeiten zu geben, diesen Titel hier in Deutschland zu veröffentlichen. Wie nun diesen Umstand dem allgemeinen Publikum schmackhaft machen? Genau, die kranken Hirne der Macher an den lokalen Pranger hängen und so den eigenen Arbeitgeber und die USK bloß nicht schlecht aussehen lassen. Da hat jemand ganz genau im Seminar PR-Talk aufgepasst. Ich denke dieser Abschnitt ist der Tiefpunkt des Textes, aber ich gestehe, die Situation ist nun mal schwierig und so wählt man den Weg des geringsten Widerstands.
Eine Story lebt von Konflikt, daher ist Gewalt durchaus ein integraler Bestandteil der Erzählung einer Geschichte. Aber doch bitte nicht um ihrer Selbst willen.
Zwar mögen die damaligen Lucas-Arts Adventures, die jener Herr damals grandios übersetzt hat, gewaltfrei gewesen sein, aber spätestens heute, in Zeiten, in denen man Gewalt realistischer als je zuvor darstellen kann, ist diese auch Haupt-Bestandteil 99% aller erfolgreichen Produkte. Ich meine wieso wird sich Dead-Rising wie blöd verkaufen? Doch nicht wegen der Story, sondern weil man Horden von Untoten mit diversen Hausgeräten interagieren lassen kann. Dieser Satz war so überflüssig wie ein Kropf und könnte direkt aus einer Begründung für die Indizierung eines Spieles stammen. Was blieb in Maniac Mansion ungelöst und war Jahre lang Ziel der Spieler? Das Mädchen zu retten und die Geschichte zu beenden, oder Benzin für die Motorsäge zu finden? Soviel zum Thema Gewalt um ihrer Selbst willen. Das Produkt zu managen heißt auch es zu verkaufen und es nicht schlecht zu reden und zu ermahnen, dafür haben wir hier in Deutschland schon genug Kreuzritter, auf der Quest die Spieler vom Übel der Killerspiele befreien zu wollen. (Anmerkung der Redaktion: der Begriff Killerspiel ist wirklich so schlecht, das er wirklich gut ist.)
Dieser Text verdient dennoch Respekt, zeigt er doch vielen den Mittelfinger, ohne zu offensichtlich die böser-Bube-Karte zu verteilen. Die englisch-sprachigen PR-Blogs zur XBox360 sind da viel weichgespülter. Vermutlich wird der PR-Filter von Microsoft Deutschland hier toleranter sein, dem Umstand zu verdanken, dass System-Seller-Titel, dank der USK, dem deutschen Markt vewehrt bleiben. dreisechzig.net sollte man schnell seiner Feed-Liste hinzufügen, da kommen noch viele gute Texte.
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