unendlich viele Sporen
Dieses „Spore“-Video ist sehr beeindruckend. Kann nur jedem empfehlen sich die 35 Minuten Zeit zu nehmen, wir können hier sehr viel von lernen. Die erste Frage die sich mir nach dem Ansehen des Videos stellte war: „Wie gut wär so ein System in das klassische MMO Model zu integrieren?“. Der Film zeigt schon jetzt zwei Ansätze für zukünftigen Inhalt in Videospielen.
An zwei Klassiker wurde ich sofort beim Schauen des Spore-Films erinnert und Achtung nun, wir gehen zurück in die Steinzeit, als Computer noch mit 8-Bit CPUs und 64 Kbyte RAM liefen. Elite wurde anno 1982 von David Braben und Ian Bell entwickelt. Dies war damals eines der großen Beispiele der Game-Design Kunst, die mein damaliges zartes Alter weit überforderten. Elite stand bei mir so anno 1990 auf dem Programm, und mit 9 Jahren interessiert man sich selten für Handels-Simulationen. 😉 Das einzige was von Elite damals hängen blieb, war die 3D-Grafik und das nicht vorhandene Ende. Bei Elite gab es kein Game Over. Es gab auch keinen festen Weg. Elite stellte ein System zu Verfügung, das der Spieler fast grenzenlos nutzen konnte. Ähnlich wie bald auch Spore, deckte schon Elite für damalige Verhältnise viele Genres ab. Ein Spiel 1982 entwickelt, das immer noch 90% der topaktuellen Produkte in die Tasche steckt. Es ist mehr als schade, das Braben heute kein Game-Designer mehr ist. Aber wieso sollte er auch. Sein mehr als 20 Jahre altes Konzept ist immer noch ein Meilenstein.
Per Zufall bin ich über diesen Link gestolpert, grandiose Erinnerungen sind beim Lesen erweckt worden. Der Text handelt von einem über 10 Jahre alten PC-Spiel namens „X-COM -Enemy Unknown“, der bei uns unter dem Titel UFO – Enemy Unknown, veröffentlicht wurde. Wie heisst es dort so schön:
Well, it has probably been some of the best gaming pleasure I’ve had all year. And I mean 2004. That’s right, the best game for me in 2004 was originally published in 1993. The curmudgeons are right, games aren’t actually getting any better.
X-COM hab ich erst später entdeckt, genauer gesagt die Playstation Version dieses Wunderwerks. Ich wusste bis heute nicht, wieso X-COM so genial ist. Als X-COM die Bombe schlechthin war, war mir noch egal wie bzw. wieso Spiele funktionieren oder warum diese langweilen. Wenn heute immer stärker nach automatisierten und per Zufall erstellten Spielinhalten verlangt wird, dann bot X-COM genau dieses, vor mitlerweile mehr als 10 Jahren.
Content unknown
X-COM besteht aus zwei verschiedenen Spielen. Zum einen finden wir eine relativ trockene Aufbau-Simulation ala Sim-City, gepaart mit einem Schuß Manager-Spiel. Zum anderen finden wir hier ein sehr komplexes und rundenbasiertes Strategiespiel. Ich war logischerweise mehr vom Zweiten gefesselt, da sich der Kampfmodus von X-COM sehr stark an Tabletop Spielen ala Games Workshop orientiert und so dem Spieler sehr viel Raum lässt. Rein vom audiovisuellem Aspekt, oder der Bedienbarkeit, war die Playstation Version ein Graus: veraltete Low-Res Pixelgrafiken ohne Polygone oder Texturen und Ladezeiten, in denen man getrost ein Buch lesen konnte. Doch all dies war nichtig im Vergleich zum Gameplay.
Ziel des Spiels ist es, eine Basis zu errichten, Technologie zu erfoschen und so im Laufe der Zeit, den Ursprung des Gegners (Aliens) zu finden und zu vernichten, was ich bis heute nie geschafft habe, aber das ist egal. Das absolut beeindruckende an X-COM war, dass wirklich jeder Kampf einzigartig war. Es gab keine festen Level oder ähnliches. Das Programm erstellte für jeden Kampf, eine zufällige Umgebung und Verteilung der Gegner. Per Zufall wurde man auch in die Kämpfe verwickelt. War man im Manager-Part des Spiels, konnte jederzeit ein Angriff erfolgen und das Spiel wechselte in den Kampfmodus. Jedes mal muss der Spieler aufs Neue den Gegner suchen und besiegen. Das Spiel bietet jedesmal ein anderes Problem (Positionierung und Art der Gegner) und Lösung (Umgebung) an – großartig. X-COM ist nicht makellos. Die Kämpfe konnten sich ins Unendliche ziehen und dieser „randomized Content“ brachte auch neue Probleme: es kam auch vor, dass man absolut keine Chance hatte, das Gefecht zu gewinnen. Trotzdem ist dieses Spiel ein Meilenstein und zeigt wie man heutige Probleme lösen kann.
mehr X-COMs
Wenn ich schaue, welche Spiele mich beeindrucken, dann sind dies fast alles Spiele, die sehr ähnliche Mechanismen boten: Pirates, Elite und ein Amiga Titel von dem ich den Titel vergessen habe 🙁 All diese Beispiele funktionieren ohne das klassische „Level“ Prinzip und bieten relativ zufällige Inhalte. Wenn sich heute sämtliche Entwickler aufregen, dass es immer aufwendiger und schwieriger ist, den Bedarf an neuen Inhalten zu decken, dann finden wir hier vielleicht eine Lösung für das Problem.
procedural
„Procedural“ ist auch so ein Schlagwort des Spore-Videos und bedeutet, dass jedes einzelne Element des Spiels, nahtlos miteinander kombinierbar und austauschbar ist. Ergebnis dessen sind schier unendlich verschiedene Möglichkeiten alles mit jedem zu kombinieren und so etwas Neues zu erschaffen. Ich denke dies ist die vielleicht größte Leistung von Spore. Ein solches System ist seit Jahren ein Traum, der nun eventuell Realität werden könnte. Wie auch bei X-COMs zufällig generierten Szenarien, sehe ich aber auch hier ein Problem.
Liest man die zum Beispiel das World of Warcraft Forum, so behandelt jeder zweite Text, das Problem des nicht ausgeglichenen Inhalts: meine Klasse ist schwächer als deine Klasse. WoW bietet 9 Klassen. Man stelle sich nun vor, unendlich viele Klassenvariationen generieren zu können. Das Chaos wäre perfekt.
Spieler denken immer in Min-Max Schemata. Wenn ich diesen Editor im Spore-Video sehe, dann stellt sich mir nicht dir Frage „oh welche Kreatur ist wohl am spannendsten“. Wichtig ist nur „welche Schöpfung kann sich durchsetzen“. Genau hier stoßen selbst generierte Inhalte an ihre Grenzen. Entweder sind alle Kreaturen in Spore gleichwertig und sehen nur ander aus, oder es gibt die ultimative Kombination, die dem Godmode im Spiel entspricht und die jeder Spieler suchen wird. Es gibt selten Balance in generierten Inhalten. So sehr ich mir wünsche, dass Spore hier einen neuen Maßstab setzt und meine Behauptung widerlegt, so sehr zweifle ich daran. Schon Blizzard ist bei WoW gescheitert, 9 Klassen im Schere-Stein-Papier Prinzip funktionieren zu lassen.
einzigartig
Der Prozess, dass der Spieler etwas Neues erschafft und in ein System integriert, wird immer wichtiger werden. Dies ist auch ein Schlüsselelement für den Erfolg WoWs. Spieler wollen immer weniger einen vorgefertigten Character mit vorgefertigten Gegenständen sehen. Sie wollen dies selbst erschaffen, was leider immer noch schnell an Grenzen stösst. Nichts ist schlimmer als zu sehen, wie jeder zweite Character im Spiel gleich aussieht. Everquest führte damals die Möglichkeit ein, seine Rüstung selbst einzufärben, dies war ein Schritt in die richtige Richtung. Solche Sachen werden immer wichtiger werden, wenn es um Multiplayer-Konzepte geht. Spores Editor wirkt schon in diesem kurzen Video sehr gelungen. Ich denke so ein System schreit förmlich danach, in ein MMO integriert zu werden.
mein Inhalt gegen dein Inhalt
Dies ist der interessanteste Aspekt des Videos. Spieler erschaffen mit ihrem Spiel, Inhalt für andere Spieler. Es braucht keinen Entwickler mehr, der monatlich per Patch neue Inhalte zur Verfügung stellt. Die Spieler erledigen diese wichtige Aufgabe nebenbei, dies ist schon im Ansatz genial. Ob es praktisch funktioniert wird sich erst noch zeigen müssen. Dennoch scheint Spore ernsthaft auf der Suche nach essentiellen Lösungen für Probleme, die Entwickler seit Jahren mitschleifen. Ich hoffe Spore bekommt den Erfolg den es verdient. Ich hoffe der Markt ist reif genug für so einen Meisterstreich, der völlig ohne die sonstigen Klischees des Mediums auskommt.
2 Kommentare
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global $hemingway ?>Selbst wenn es Spore nicht gelingt den Spielemarkt zu revolutionieren… ein Schritt in die richtige Richtung ist es meiner Meinung nach alle mal.
Man stelle sich vor, dass es in WoW keine Klassen gäbe, sondern dass man einfach aus allen Skill- und Talenttrees drei auswählen könnte…
Hybriden würden von selbst entstehen einfach nur, um jedem Spieler seinen Stil finden zu lassen und die Möglichkeiten wären einfach nicht mehr so eingeschränkt…
Wähle ich beim Thema „Heilung“ lieber eine Komibnation aus Balance und Disziplin oder kombiniere ich des Priesters Heilig mit dem Heilig des Paladin?
Ein System in dem man mit einem „dummen“ Charakter startet, der nach und nach verschiedene Spezialisierungen lernen kann ist viel dynamischer und interessanter, als der vorgefertigte Einheitsbrei, der durch die Überflüssigkeit jedweder Hybridenklasse und das absolute Itemmonopol der Sets nur noch unterstrichen wird.
Der „Kostümierungsgleichklang“ (erst alle in T0, dann T1, langsam aber sicher T2… demnächst AQ-equipt) kann nur durch eine Schwemme von verschiedenen Sets (so wie es im Moment getan wird) oder ein interessanteres und dynamischeres Crafting- und Drop-System ausgebessert werden…
Warum zum Teufel kein extremes Prefix-Suffix-System mehr, wie in guten alten D2c-Zeiten?Archivar-Cape und andere Items mit Random-Attribut gehen doch in die richtige Richtung!
Stattdessen versucht man nur Kunden in zeitaufwendigen, langweiligen Instanzen festzunageln, indem man sie dazuverdonnert ewige Zeiten mit dem Erfarmen von Ruf aufzuhalten…Eine Ruf-Pyramide ist in meinen Augen kein Gamedesign, sondern eine Verschwendung meiner sowieso schon viel zu kostbaren Zeit…~Glyx
Auch wenn Spore finanziell kein Erfolg wird, wovon ich übrigens sehr ausgehe, denn so ein Produkt wird man schwer neben einem neuen GTA verkaufen können. Keine Prostituierten, Drogen oder Waffen auf dem Spore Cover werden heutzutage schlechte Presse sein. Dennoch das Grundgerüst was da im Hintergrund arbeitet ist so revolutionär, dass kaum ein Game Designer dies übersehen kann.
Erst gestern hab ich einen neuen MMO Podcast gehört, wo auch Spore erwähnt wurde und wie ein ähnliches System in MMOs funktionieren könnte. Permadeath wird mit so einem Ansatz zur Option. Dieses Genre ist mitlerweile an einem wichtigen Punkt. Alle realisieren, dass dies keine Mode-Erscheinung ist, sondern etwas, was über zahrzehnte Bestand haben wird. Spore ist so eine Sache, die wir in 10 Jahren integriert sehen könnten.
Jeder Spieler giert sicher nach einem absolut freiem Character-Editor, nur bis wir da mal einen wirklich Fairen und Ausbalancierten sehen werden, wird es noch mehrere Generationen an MMOs brauchen. Hoffen wir, dass das momentane Abo-System überleben wird, denn solange die MMOs viel Geld einfahren, solange wird auch viel Geld in das Genre zurückfließen. WoW war das beste was diesem Genre passieren konnte.