
Preisbildung und Wahrnehmung 2011
Preis 2.0
Komme die Tage mal wieder zu Lust und Zeit für das sträflich vernachlässigte Hobby: Computerspiele. Danke fehlender Bindung an einen festen Titel, ist mal Zeit für das Ungespielte. Ein Blick in die Liste der Steam Titel offenbart die traurige aber interessante Wahrheit. Die meisten der in den letzten Monaten gekauften Spiele, sind noch nie installiert worden. Streng genommen bin ich damit auf das perfekte Geschäfftsmodell überhaupt reingefallen. Ich bezahle für etwas, was ich nicht nutze. Dabei spreche ich hier nicht mal von Appstore artigen -,99 Cent Preisen. In der Regel werde ich blind zum Spontankäufer, wenn Titel um mehr als 50% reduziert werden. Im Schnitt bewegen sich meine Steam Einkäufe bis zu einem Preis von maximal 30,- Euro.
Meine Preiswahrnehmung für Digitales hat sich radikal in den letzten 24 Monaten verändert. Ich halte es jetzt schon für absurd für einen Download den gleichen Preis zu bezahlen, wie für ein physisches Abbild des gleichen Produkts. Bei Steam heißt das, dass ich keine neuen Titel kaufe. Lieber warte ich auf eine Aktion. Musik und Film werden anders behandelt. Hier ist der Preis so gering, dass ich auch einen aktuellen Spontankauf mir selbst nicht rechtfertigen muss. Wenn die DVD Dreck ist, sind auch nur wenige Euro drauf gegangen. Was mich zum wunden Punkt meiner aktuellen Preiswahrnehmung bringt. Ja, ich gebe es zu, dass ich ab und zu schaue, wie teuer mich die Stunde unterhaltung am Ende kommt.
Zwei Dinge verändern Preise für Digitales weiterhin ungemein. Der Vertrieb ist praktisch umsonst und die Vielfalt wächst mit Lichtgeschwindikeit. Als Kunde standen mir noch nie so viele Möglichkeiten offen, einen Euro zu investieren wie heute. Während Anwendungssoftware erst langsam die neue Welt betritt, zeigt Steam schon heute, wie es funktioniert, oder wie eben auch nicht. Aktuell existieren vier grundlegend verschiedene Produktypen:
- Triple AAA Blockbuster 40,- bis 60,- Euro
- Mid-Tier Titel 10,- bis 40,- Euro
- Independent Titel 5,- bis 20,- Euro
- Free-to-Play
Wirklich spannend ist die Entwicklung in den letzten drei Kategorien, besonders bei Mid-Tier und F2P Produkten. Preis bei Unterhaltung und Anwendung, ist eine Hürde, die es für Käufer zu überspringen gilt. Soll heißen wer als unbekannter Wettbewerber den Markt betritt, lebt und stirbt mit dem Preis seines Produkts. Neue Spiele gehen hier aktuell einen Mittelweg zwischen kostenlos und vollwertig. Übrigens ist gibt es durchaus einen Unterschied zwischen kostenlos und gratis, naja fast:
Why is free and free to play so different? Well then you have to start thinking about how value creation actually occurs, and what it is that people are valuing, and what the statement that something is free to play implies about the future value of the experience that they’re going to have. #
Free-to-play ist was Casual- und Facebook-Games vor zwei Jahren waren. Ein Schlagwort, an dem sich jeder versucht, bei dem ganz wenige aber langfristig Erfolg haben werde. F2P ist schnell erklärt: man verschenkt das Produkt auf den ersten Blick und lässt den Kunden sich einzelne, Vorteile bringende Elemente bezahlen. Der Trick ist, die Kosten so zu fragmentieren, dass diese immer niedrig erscheinen. Bei Spielen werden viele Versuche solch eines Modells scheitern, weil was Newell als Value creation beschreibt, ein tolles erstes kostenloses Produkt voraussetzt. F2P rettet kein schlechtes Produkt vor dem Untergang. Dreck ist auch kostenfrei überflüsssig. Bindung ist essentiell. Nur langfristig funktioniert so ein Geschäfftsmodell. Jene die es meistern, haben einzelne Kunden, die schon mal Tausende Euro in einen Titel investieren.
Noch spannender ist das Modell bei Humble Bundle. Hier darf man als Käufer den Preis selbst bestimmen. Das Modell deckelt mit zwei Hebeln nach unten. Die große Anzahl an Käufern verhindert eine „Absprache“. Wer mehr zahlt als der Durchschnitt wird zusätzlich belohnt. Zwar ist sowas keine Alltweglösung, aber es funktioniert seit langer Zeit mit überdurchschnittlichen und wachsenden Käuferzahlen.
Nicht alles ist ein Spiel
Nun ist nicht jede Software ein Spiel und schon wird es richtig schwierig einen perfekt funktionierenden Preis zu bestimmen. In der Regel verbraucht sich Anwendungssoftware nicht in so einem Tempo, dass man mit zusätzlichen kleine Häppchen neu ködern kann. Open Source, Plagiate, Kopien und abgespeckte Version trüben das Wasser für eine faire Preisbildung. Das Prinzip bleibt jedoch das gleiche. Preis ist die Einstiegshürde. Je niedriger desto mehr Anwender. Nun kann Adobe kein -,99 Cent Photoshop anbieten, aber nach Jahrzehnten der Raubkopien, ist immerhin mit Express eine faire legale Alternative zu bekommen.
Ich bin überzeugt, dass auch Software immer stärker nach einem Häppchenprinzip finanziert werden wird. Fragmentierung ist der Schlüssel für moderne Preisbildung. Ein Produkt und ein Preis, nach Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners funktioniert weniger und weniger gut. Viel mehr erlaubt ein moderner digitaler Vertrieb individuelle Produkte/Preise. Statt für die vollen 100% zu zahlen, von denen ich nie mehr als 50% nutze, ergeben die 50% ein neues eigenständiges Produkt samt reduziertem Preis. iTunes wahres Erbe an den Markt. Man mag es verfluchen oder ausnutzen. Die zweite Strategie scheint derzeit erfolgreicher.
7 Kommentare
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global $hemingway ?>Und zu welchen Titeln greifst du nun in den nächsten Tagen?Ich fiebere auf den Release von Minecraft hin. Es verlässt in den nächsten Tagen die Beta-Phase. Es ist einfach ein Phänomen und mich hat es gepackt.Jetzt muss ich die anderen Mitspieler nur noch dazu bringen, dass wir den Server zum Release auch neustarten.GrußBenjamin
Zwei Dinge. Zum einen freue ich mich auf die Weihnachtsaktionen von Steam, da sind immer tolle Titel dabei. Zweitens habe ich nun doch The Old Republic vorbestellt. Den Gratismonat werde ich mal intensiver nutzen, dann mal schauen wie gut oder schlecht das Ding dann doch wird. Weiter weg ist Diablo III., davor Torchlight 2.
Da hätten mich ja die durchschnittlichen Stundenpreise schon mal interessiert. Insbesondere Medien übergreifend.
Wenn ich bei Steam meine Spielstunden für Team Fortress 2 anschaue, dann wird mir schwindelig. 500+ Stunden für 0,- Euro sind ein ziemlich starkes Argument. Dagegen habe ich oft den Fehler begangen, groß gehypte Titel sofort zu kaufen, um nach wenigen als 2 Stunden zu merken, dass ich meine Zeit angenehmer verschwenden kann. 25,- Euro die Stunde für generischen Brei, lässt mich bei jedem neuen Kauf zweifeln.
Andere Medien funktionieren anders. Bei Musik, Film und Buch finde ich nicht die Preisunterschiede vor, wie bei Software oder Spielen. Dagegen muss ich mir einen Kinobesuch immer schönreden, denn für den Preis bekomme ich zwei Filme als DVD/Bluray Version.
Meine Referenz in diesem Artikel war eher humoristisch gemeint, aber die Wahrheit ist oft schneller und witziger. Aus dem virtuellen und erfolgreichen 1000,- Euro Gegenstand, ist mittlerweile Realität geworden.
Fuck hell! Wir sind im falschen Teil der Branche!
[…] via Coldheat […]