Häppchen Konsum
Ich gestehe. Auch ich bin nicht immun. Meine Aufmerksamkeitsspanne für alles Digitale schrumpft in einem mir Angst machenden Tempo. Sich über mehrere DVD-Boxen erstreckende Serien? Furchtbar. Video-/Computerspiele? Ab Spielstunde 10 setzt der Horror ein. Ich finde es schade, aber es ist Zeitgeist, sich aus allem Medialen die Rosinen zu picken. Was war das mal für ein Spaß. Videospiel geschenkt bekommen und die folgenden Wochen damit verbracht einem Abspann entgegen zu fiebern, in einer Zeit, als ein Abspann scrollender Pixelfont aus einem 320×240 und 16-farbigem Pixelbild bestand. Wenn ich stolz einen Titel abschließen wollte, musste ich ohne gamefaqs.com oder youtube.com selbst ran. Was für eine heute antik wirkende Zeit?!
Ich habe es versucht und mein Lieblingsmedium Film schütze ich auch noch, aber beim Rest ist es unmöglich geworden, die alte Art des Konsums weiterzuführen. Auch auf die Gefahr hin, durch unseren Häppchen Konsum so wichtigen Kontext zu verlieren, ist es eine Frage der Bequemlichkeit und Zeit. Nebenbei habe ich auch World of Warcraft erstmal aufgegeben. Nicht weil ich keinen Spaß mehr hatte, aber die Zeit bis zum Endorphin ausschütendem Glücksmoment dauerte länger und länger. Mir tut es auch hier leid, aber mein so geliebtes altes MMORPG Konzept hat sich überlebt – auch weil die Zielgruppe so nicht mehr existiert. Ich bin nicht der einzige, der sich sein Stück Kuchen nicht mehr aufwendig erspielen möchte. Mir reichen momenten kleine Krümel, die allerdings eben nicht mehr so lange binden.
Bon Appetit
Ich möchte nicht Intensität und Tiefe gegen Vielfalt abwägen, aber heute sehe ich eine so dermaßen gigantische Masse neuer Angebote bei Film, Fernsehen, Spielen, Musik und Büchern, dass Vielfalt am Ende langsam den Sieg erringt. Momentan bin ich bei mindestens fünf neuen Filmen die Woche. Viel davon im Fernsehen und auch hier ist hat „nur Durchschnitt“ es schwer, mich für mehr als die magische 60 Minuten Marke zu fesseln. Bücher sind hier die letzte Bastion der langfristig gebündelten Aufmerksamkeitsspanne. Aber hier bin ich weg von Fiktion oder Sachbuch un am Ende bei Biografien gelandet. Sowas funktioniert auch in winzigsten Frühstückstisch Häppchen über Wochen hinweg. Beim Buch habe ich nicht das Gefühl etwas zu verpassen. Das Buch ist dann doch ein völlig zeitloses Medium. Hier werde ich nicht von Marketing in die Enge gedrängt, um ja nicht das neueste Produkt zu verpassen.
Am Ende sehe ich die Veränderungen beim Medienkonsum mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Mehr Vielfalt ist immer gut. Auf der anderen Seite werden einzelnde Werke nie mehr den Einfluss haben, wie es vor vielen Jahren der Fall war. Alle neuen Star Wars oder Herr der Ringe sind lauwarme Kopien, die vom nächsten Abklatsch zwei Wochen später aus dem Gedächtnis verdrängt werden. Sämtliche Medienindustrien geben einzelnen Ideen keine Zeit mehr sich zu entwickeln und ich als Konsumen gebe einzelnen Werken auch leider weniger und weniger Zeit sich bei mir zu beweisen. Momentan ist dies ein Prozess, dem ich mich leider nicht mehr entziehen kann. Rosinenpicken der Häppchen. Eigentlich keine so schlechte neue Zeit?
2 Kommentare
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global $hemingway ?>Hmm … mal abgesehen davon, dass Du ja mal zuerst Dein eigenes Verhalten beschreibst und Deine Wahrnehmung dessen, läßt sich das ja verallgemeinern … spannende These also. :]
Grundsätzlich würde ich Dir da zustimmen. Gerade das tägliche Arbeiten zwischen einem halben Dutzen Browserfenstern, Email-Client, Skype etc. drückt die Aufmerksamkeitsspanne erheblich. Gerade im Netz lese ich kaum noch längeres und Zeitungen lesen ich eigentlich auch schon gar nicht mehr. Games hab ich – wie eben schon kommentiert – auch drangegeben.
Aber … auf der anderen Seite bin ich doch sehr von Serien angetan. Und Bücher habe ich gerade im letzten Jahr auch wieder für mich entdeckt. Es ist, als würde ich als Gegengewicht zur sich stetig beschleunigenden Welt innerhalb des Rechners außerhalb des Rechners eine sich stetig entschleunigende Welt aufbauen.
Spielen und Filme sind ja dein Hobby. Meins übrigens auch, wobei ich manchmal noch gerne programmiere und das Buch dem Film vorziehe, aber gut, jeder nach seinem Geschmack. Nun ist es aber so, dass wenn man übersättigt, die Lust daran verliert. Ich mus gestehen, seitdem ich für diese meine Hobbys nicht mehr soviel Zeit habe, geniesse ich sie wieder mehr. Ich freue mich auf einen Film, nicht auf Teil 1-6, levele gerne in meinem MMORPG ohne jeden Endcontent zu sehen, probiere auch mal was neues und der Spass ist wieder da, sogar besser, ich kann mich wieder über Kleinigkeiten freuen.Ich kenne deine persönliche Situation nicht, aber vielleicht stehen persönliche Änderungen an ? Ich meine Spiele und Filme garantieren ja kein ausgegliches Leben und Zufriedenheit.
Ich möchte Dir nicht zu nahe treten, dass war nur das, was mir beim Lesen deines Artikels durch den Kopf gegangen ist.
LG