Being Erica
Die Suche nach einer guten Fernsehserie ist eine Geschichte voller Missverständnisse…oder so ähnlich. Being Erica ist ein Überlebender des Autorenstreiks amerikanischer Serien, woraufhin die Sender nach Importen suchten und in Being Erica einen kanadisches Juwel fanden, dass so auch seinen Weg in unsere Gefilde gefunden hat. Die Serie ist absolut nicht perfekt und musste sich auch noch nicht wirklich beweisen, denn bisher sind wenige Folgen bei uns im deutschen TV gelaufen. Was ich so bisher gesehen habe, lässt mich jedoch die DVD Box kaufen und jede neue Folge herbeisehen. Being Erica ist ein Experiment, was zu großen Teilen gelingt, aber der Reihe nach.
Being Erica dreht sich um Erica Strange, jung, Single, jüdisch auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Diese Vorzeichen legen die Basis für so ziemlich jede schlechte Fraunenserie der letzten Jahre, aber hier göhnen sich die Autoren etwas mehr Freiheiten, als die Serie zur Konsumorgie depressiver Neofeministen verkommen zu lassen. Das besondere Werkzeug der Serie ist Dr. Tom, personifizierte Lebenshilfe mit übersinnlichen Fähigkeiten, der Being Erica zu einem Hybrid aus Bridget Jones und Zurück in die Zukunft macht. Das Gimmick der Serie sind Zeitreisen der Protagonistin, in vergangene Momente. Sobald man diesen Köder geschluckt hat, funktioniert die Serie, nur muss man eben über diese kleine Schwelle des Zweifelns schreiten.
Das Format einer Folge ist immer ähnlich. Die Serie startet in der Gegenwart, wo unsere Heldin ein neues Problem auf sich zukommen sieht. Kurz bevor sie es meistern muss, reißt sie Erica aus der Gegenwart in die Vergangenheit, in der die Autoren fast immer gekonnt, das Problem der Gegenwart verlinken. Die Serie funktioniert auch deshalb, weil die Heldin immer alle Erfahrungen behält. Erica Strange ist zu jeder Zeit die gleiche Person. Der letzte Akt jeder Folge bringt wieder alle Zeitschienen auf Kurs und lässt die Heldin meist gestärkt ihre Gegenwartsproblem lösen.Die starken Elemente überwiegen. Erica entspricht nicht dem typischen Modell einer weiblichen TV-Heldin und gibt insgesamt ein positives Rollenmodell ab.
Die großen Bögen der Handlung spannen sich um die Familie. Hier allerdings beginnt auch direkt ein großer Makel der Serie. Ganz in Tradition der synthetischen Fernsehfamilie, baut man auch hier auf klinisch konstruierte Strukturen. Um den Fokus auf die Beziehung der Mitglieder untereinander zu bekommen, existieren keine greifbaren Probleme, mit denen sich wirklich jeder Zuschauer identifizieren kann. Das einzige was die Familie bindet, ist der Tod einer Figur. Alle haben Geld, Freunde, sehen attraktiv aus und sind insgesamt sonst sorgenfrei. Realität sieht dann meist doch anders und sicherlich unangenehmer aus. Diesen Pfad verschließt die Serie komplett.
Für unsere Verhältnisse weniger zugänglich ist der religiöse Anteil an Themen. In jeder Folge lassen die Autoren einen wissen, wie sorgfältig das Judentum in ihrer Welt gepflegt wird. Das ist beachtenswert, aber verschließt die Serie für sicherlich einige Zuschauer. Welche sehr populäre TV-Serie behandelt Religion im großen Stil? Keine. Auch wenn Being Erica nicht mit dem Holzhammer im religiösen Stil daher kommt, so betonen die Autoren doch sehr oft was zählt. Erica bleibt nicht lang allein und bekommt dann auch einen Partner an die Seite, der direkt aus der Retorten-Schmiede des TV-Freunds zu kommen scheint und dessen einzige Aufgabe es ist mit blankem Oberkörper durchs Bild zu laufen.
Seele und Herz
Being Erica ist trotz vieler kleiner Schwächen sehr empfehlenswert. Die Serie hat Herz und Substanz. Alles wirkt nicht einfach seelenlos dahingeschrieben. Das Gimmick bietet genug Freiheit, um aus dem Format auszubrechen. Hinzu kommt, dass fast alle Rückblicke der Figur in den 90er spielen und man hierbei sehr viele nostalgische Details präsentiert bekommt. Die Besetzung funktioniert, auch wenn die Hauptdarstellerin allen anderen die Show stiehlt. Was der Serie anzukreiden ist, sind nur kleine Makel. Erfrischend ist wie geschickt die Autoren mit Gimmick und Struktur umgehen. Man schaut nicht auf den Zuschauer herab, sondern legt Tiefe der Figuren Schritt für Schritt frei. Selbst Konflikte die gerade dazu auffordern sofort gelöst zu werden, pflegt man über viele Folgen. Es ist schwierig der Serie einen Stempel aufzudrücken, was heute die beste Auszeichnung für das Format Fernsehserie ist. Auch wenn Being Erica am Ende nur ein Zusammenwerfen fremder Ideen ist, so funktioniert das Endergebnis besser als erwartet. Ein tolles Format.
6 Kommentare
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global $hemingway ?>Wenn du eine gute Serie suchst dann probier mal DexterBreaking Badoder falls noch nicht geschehen Lost
aus sind die besten Dramen die ich je gesehen habe
P.S. einige Staffeln von 24 waren auch ziemlich nice
Breaking Bad ist toll, auch Westing und erste Folgen von Mad Men sind absolut sehenswert und ich möchte unbedingt auch The Walking Dead sehen. Deine anderen zwei genannten Beispiele sind jedoch nicht nach meinem Geschmack, besonders mit Lost kann ich wenig anfangen. Boardwalk Empire ist auch noch auf meiner Liste. Allerdings mag ich eher die klassischere TV-Serien-Struktur, bei der eine Folge auch für sich gekapselt funktioniert. Bei vielen neueren Serien, schreiben die Autoren ganz gezielt, um den Verkauf einer DVD-Box anzutreiben, d.h. ein Handlungsbogen wird eher mal über viele Folgen verteilt. Sowas mag ich überhaupt nicht, denn es ist zu offensichtlich, aber nachvollziehbar. Being Erica funktioniert dagegen auch in wirklich kleinen Happen.
Von Mad Men habe ich mir 7-8 Folgen an gesehen und mir kam fast die Kotze hoch 😀
Schauspielerisch ist es sehr gut und auch die Atmosphäre der 60er kommt sehr gut rüber, aber story technisch war die Serie ein Alptraum. Ich konnte in diesen Folgen einfach nicht erkennen um was es da überhaupt geht. Vielleicht war ich zu dumm um es zu verstehen aber das einzige was halbwegs interessant war, ist die Tatsache das Jon Hamm´s Charakter (Don Draper??) immer wieder als Dick angesprochen wurde und quasi eine Doppelidentität hat, aber das wars auch schon.
Walking Dead und Boardwalk Empire sind auch auf meiner Liste.
Lost und Dexter haben sehr gute Storys und auch gute Schauspieler. Michael C. Hall in Dexter und das Zusammenspiel von Michael Emerson und Terry O´Quinn ab der 3. Lost Staffel sind einfach nur köstlich.
Ich bin kein Fan der klassischen TV-Serien-Struktur bin. In Comedy Serien funktioniert das super aber bei Dramen ist das heutige Format viel besser, weil es wie ein Riesen Film ist.
Wobei das auch wie bei Lost in die Hose gehen kann und es viele lose Enden bzw. unbeantwortete Fragen entstehen können.
Absolut persönliche Präferenz, aber ich schaue mir lieber einen Film an, als ein sehr langes TV-Drama. Noch ist meine Liste ungesehener Klassiker lang genug, aber ich gebe zu, momentan findet eine Verlangerung anspruchsvoller Dramatik vom Kino ins Fernsehen statt. Hat mit der Zielgruppe zu tun. Die Masse neuer Kinofilme wird für eine Zielgruppe unter 30 entwickelt und diese Grenze fällt noch weiter mit rasantem Tempo. Alles was nicht in dieses Schema passt, wird zu einer neuen TV-Serie.
Ich denke, da vermischst du gerade munter das, was network execs von ihren Schreiberlingen fordern mit dem, was das eigentliche Ziel bzw. zwingende Konsequenz der kreativen Köpfe ist.
Ob folgenübergreifende Handlungsbögen nun den Verkauf der Staffelboxen ankurbeln sollen oder nicht – wenn, dann ist es ein Nebeneffekt. Normalerweise ist es nämlich (zumindest bei den Serien, denen ich nicht nur rein episodenschauend folge) genau umgekehrt: Die Autoren drängen auf größere oder längerfristig angelegte Bögen, während die execs meist ein eher abgeschlossenes Format der Folgen fordern.
Ansonsten merke ich hier mal wieder, dass ich in der Hinsicht das Pendant zu dir bin, Christian 😉 Ich versinke seit jeher lieber in einer Serie, als in einem Film. Alles, was hier ab und an (mal mehr, mal weniger – aber immer bemerkbar) an Abneigung/Kritiken an Serien bzw. deren Format durchscheint, könnte ich aus meiner Perspektive umgekehrt für Filme liefern.
Eigentlich sollte das eine Aufforderung sein: Jede „Erfahrung“ mit einer oder mehrerer Serien bitte unbedingt hier ins Blog packen. Love it 🙂
Mein antikes Format von TV-Fiktion, entstand aus zwei grundsätzlichen Anforderungen heraus: jede Folge musste abgeschlossen sein und auch dann funktionieren und Zuschauer binden, wenn sie Jahre später im Nachtprogramm wiederholt wird.
Das „DVD-Box-Vehikel“ mag nur Randeffekt sein, bleibt aber der für mich störende Faktor. Mal eben in eine Serie reinschauen und sofort den Funken überspringen zu lassen, ist bei mir unmöglich geworden, was ich sehr schade finde. Natürlich geht es weniger im DVD-Boxen und mehr um Bindung und Raum für Autoren. Ein gekappseltes Format erlaubt es nicht mit neuen Charakteren zu spielen. In modernen Serien dagegen wechseln die Hauptdarsteller praktisch pro Folge. Am Ende ist es ein Zeitfaktor. Wenn ich viele Stunden am Stück in Fiktion stecken soll, dann sicherlich nicht in eine TV-Serie. Dafür ist das Format viel zu jung.