
Warum keine linke Navigation? Darum.
Im1 Designtagebuch wird heute der Neuanstrich von Neckermann vorgestellt. Ein Absatz ist besonders erwähnenswert:
dt-Leser balabushka warf in den Kommentaren zum ftd Relaunch die Frage auf, weshalb eigentlich so viele Hauptnavigationen in den letzten Jahren aus dem linken Bereich nach oben gewandert sind, wo sie in Form einer horizontalen Leiste aufgehängt sind. Gute Frage. Anders als eine vertikal angelegte Navigation, stößt ein horizontaler Aufbau schnell an seine Grenzen. 960-980 Bildpunkte sind nach wie vor das Maß aller Dinge, wenn es um die Breite geht. Für Websites mit nur wenigen Hierarchieebenen und nur 5-6 Hauptnavigationspunkten stellt diese Begrenzung kein Problem dar. Nachrichtenportale wie Stern oder Spiegel Online beschränken sich auf die Abbildung von drei bzw. vier Hierarchieebenen. Wenn es, wie bei n-tv in die fünfte Ebene geht, darf ein Brotkrumenpfad nicht fehlen, ansonsten verlöre man die Übersicht. Bei noch komplexeren Strukturen hingegen, etwa wie bei Ebay (6 Ebenen) oder innerhalb von Intranet-Umgebungen großer Unternehmen, ist eine linke Menüleiste unverzichtbar. Nichts scheint also bei großen Onlineshops näher zu liegen, als auf eine linke Navigationsspalte zu setzen.
Der starke Trend hin zu einer horizontalen Navigationsleiste wurde nicht zuletzt auch durch uns Designer befeuert. Eine zentriert sitzende, zweizeilige Leiste sieht einfach schicker aus, als eine L-Lösung. […]
Aus der Rubrik ganz harter Tobak, der vielleicht von ein paar weiteren Augen hätte vorher gelesen werden sollen. „Uns Designer“ ist immer deplaziert und unterstreicht die Unsicherheit der eigenen Meinung. Ich-Designer setzen um was funktioniert und nicht was „schick“ aussieht, besonders wenn es um das Aufbereiten von Informationen geht, was bei einem Shop wie Neckermann die verdammt einzigste Priorität sein sollte. „Schick“ ist immer subjektiv, Funktion immer objektiv.
Ich finde es auch hinterfragenswert, wie hier argumentiert wird, ob oder wie sinnvoll Navigationen links oder oben plaziert sind. Die Form folgt der Funktion, das klingt so einfach wie es ist. So lange wir Webseiten vertikal scrollen, so lange werden horizontale Pixel immer wertvoller sein als vertikale. Navigation ist nach oben gewandert, weil viele erkannt haben, dass eine linke Navigationsleiste zu viel toten horizontalen Raum produziert. Wer dies noch immer in Frage stellt, möchte sich einfach eine Produktseite bei Neckermann anschauen.
Auch was Blickmuster unseres westlichen Auges betrifft, so gehen linke Navigationen oft unter, weil die Köpfe der Seiten immer stärker wachsen und linke Navigationen mehr und mehr aus dem ersten Blick verdrängen. Kopfleisten dagegen lassen sich immer einfacher in den Kopf einarbeiten. Wer dagegen mit Dutzenden Navigationsebenen zu kämpfen hat, sollte lieber ansetzen seine Strukturen zu vereinfachen, als sich mehr Platz für die Elementen zu suchen. Für 9 von 10 Fällen findet sich kein Argument gegen eine Kopfleiste. Gleichzeitig hat man immer noch keine Lösung gegen den toten Raum, den linke Navigationen immer wieder produzieren.
Teaserbild The Simpsons ™ & © 20th Century Fox Film Corp. All Rights Reserved. ↩
6 Kommentare
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global $hemingway ?>Sehr gut geschrieben und ergänzend zu dem Thema von dt. Meine Frage an dich: Warum werden soviele Webseiten linksbündig platziert, so wie diese?
Erlich gesagt finde ich den Weißraum der durch das Weglassen der horizontalen Navigation entsteht ganz angenehm. Ich hasse nichts mehr als Webseiten auf denen jeder Pixel durch irgend eine Funktion belegt ist. (siehe Navi-Leiste von http://www.conrad.de )
Meine Linksbündigkeit hier hat eine 100% praktische Erklärung. Für die vielen etwas aufwendiger gestalteten Einträge, bei denen ich Bilder in den Anschnitt der Seite setze, bringt eine Linksbündigkeit eine viel einfachere HTML-Struktur mit sich. Der gleiche Effekt ließe sich zwar auch zentriert erreichen, aber nur mit leeren und somit überflüssigen HTML-Container-Elementen (Divs). Linksbündigkeit ist außerdem meine persönliche Präferenz.
Weißraum ist zweifellos wichtig, aber ich behaupte mal es gibt einen gesunden Mittelweg zwischen Conrad’s Lösung und der von Neckermann. Shopsysteme sind ganz klar oberste Interface-Liga. Eine wirklich gute Lösung schüttelt man hier nicht mal eben aus dem Ärmel.
Eine L-Lösung ist eben immer auch eine Trennung von zwei Navigationshierarchieebenen. Wenn es dem Nutzer schwer fällt zwischen diesen Ebenen zu unterscheiden, dann wird es schwer für die geteilten Menüs. Ansonsten brenne ich ja immer noch darauf mehr Seiten ohne feste Menünavigation zu erleben. Suchfunktionen in den Vordergrund rücken und den Einstieg über zentrale Navigationseinstiegsseiten zu gestalten ist gerade für Newsportale schon oft genug diskutiert worden.
Ich bin da auch mit Pauschalurteilen sehr vorsichtig. Mal abgesehen davon, dass ich Gestaltung noch dilletantischer betreibe als Entwicklung.
Persölich glaube ich ja immer noch, dass vieles, was wir aus dem Editorial-Design (insbesondere aus der Buch-Gestaltung) kennen, im Web wieder einzug finden wird. 100e2r ist da nur ein erster Anfang.
In dem Zuge glaube ich auch das Navigationen wieder weniger werden werden. Auf vielen Seiten dienen ausgefeilte Navigationen in Kategorien und Ressorts ohnehin mehr der Befriedigung von Bedürfnissen der Betreiber als denen der Besucher.
Theorie und Praxis gehen auch hier verschiedene Wege. Klar braucht man für einen Shop eine funktionierende Navigation und nicht selten findet man einen Mittelweg zu diesem Thema. Navigationsebenen verteilt auf den Kopf und die linke Seite. Was mir an diesem DT etwas missfällt ist dieser fade Beigeschmack, linke Navigationen wären jetzt plötzlich wieder die Eierlegende Wollmilchsau, denn dies ist absolut nicht der Fall.
Eine der lehrreichsten Erfahrungen für Interfacegestalter, ist es einfach mal völlig unerfahrenen Nutzern, bei der Nutzung über die Schulter zu schauen und zwar ohne Anweisungen. Die meisten dieser „Profi“-Tests laufen nach Mustern ab, die in der Praxis selten vorkommen. Hier werden Navigationen auf der Theorie aufgebaut, der Nutzer würde im Shop stöbern. Meine Erfahrung sieht hier anders aus. Meistens wird ganz gezielt gesucht (Suchfunktion) oder Bilder lenken das Stöbern, wenn überhaupt.
Der Ansatz von der Startseite mit möglichst wenigen Klicks bis in die tiefsten Ebenen zu kommen, ist halt doch irgendwo überholt, aber unser Konzept einer Navigation baut halt doch noch immer so massiv darauf auf, auch wenn Direktlinks und Suchen hier viele Regeln aushebeln.