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Zeitlos. Eine wertvollere Auszeichnung kann ein Werk eigentlich nicht erlangen. Léon ist mittlerweile ein fünfzehn Jahre alter Film und was für einer. Wie so viele meiner Lieblingsfilme, darf man auch hier von einem unglücklichen Unfall sprechen. Dieser Film markiert klar den Höhepunkt des europäischen Actionkinos der 90er. Was den Film noch heute so frisch wirken lässt, ist der so durch und durch europäische Stil Lúc Besson’s. Das Drehbuch zum Film entstand an Anlehnung einer Randfigur im Film Nikita, den Besson zuvor mit Jean Reno abgedreht hatte. Reno spielt hier eine sehr ähnliche Figur, die so gut funktioniert, dass Besson ihr einen kompletten Film widmet.
Es ist jene Rolle, die einen Schauspieler für den Rest seines Lebens verfolgen wird. Reno hat keine Chance als diesem Charakter zu erliegen. Für die wenigen Minuten des Films ist er der Einzelgänger Léon, dessen Routine aus den Fugen gerät, als er die junge Mathilda trifft. Die Geschichte ist nicht innovativ. Besonders das japanische Kino hat hier etliche Vorlagen geliefert, aber keine mit einem so durch und durch europäischen Blick inszeniert.
Léon lebt durch seinen Darsteller und eine Optik, die Stil aus jeder Bildzeile tropfen lässt. Besson schafft es einfach eine eigentlich schrecklich unrealistische Figur funktionieren zu lassen. Léon drückt bei mir alle Knöpfe. Jenen kleinen Details, die mir persönlich so wichtig für fiktionale Charakter sind, werden hier nicht nur erwähnt sondern zelebriert. Léon trinkt seine Milch und pflegt seine Pflanze. Mehr braucht es eigentlich nicht.
Die lange Fassung des Films legt den Fokus dann jedoch auf das fragwürdige Element des Films: der Beziehung zwischen einem alterndem Auftragskiller und einem zwölf jährigen Mädchen. Es gibt mehr als eine Szene, die einfach unangenehm wirkt und einen Unterton in den Film bringt, der erst im letzten Akt wieder verdrängt wird. Dieser letzte Akt ist es auch, der dann aus einem kleinen ruhigen Film, eine brachiale Lawine macht. Ich kenne keinen anderen Film, der seine Action so clever inszeniert. Es braucht keine einstürzenden Brücken, keine mit Benzin beladenen Trucks, keine endlosen Straßen, nur einen kleinen Flur und ein gekonnte Kameraführung.
Léon bekommt kein Happy End. Der Held spielt mit dem Feuer, verbrennt sich dabei die Finger und erlöst sich selbst. Der Schluss ist so konsequent wie die vielen Minuten zuvor. Eigentlich muss man dankbar sein, dass diese Figur stirbt. Der Gedanke an eine Fortsetzung ist einfach falsch. Zwar gab es viele Jahre lang den Wunsch Mathilda’s Geschichte weiter zu erzählen, aber so einen Film hat Besson schon vor Léon gemacht – Nikita. Es ist unmöglich mit einer älteren Mathilda ein so gut funktionierendes Duo aufzubauen, wie es hier schon gelingt. Hierbei sei auch zu erwähnen, dass die erste Fassung des Drehbuchs auch Mathilda sterben lässt, was dann aber doch einen Schritt zu weit geht.
Der Film ist wie so viele Klassiker nur die Summe seiner wenigen perfekten Zutaten. Besson hat hier seine zwei besten Figuren geschrieben und perfekt besetzt. Egal in welches Szenario man Reno’s Léon und Portman’s Mathilda steckt, es wäre immer sehenswert. Selten bekommt man so überzeugende Darstellungen ganz klassischer Charaktere. Léon ist im Kern so altbacken wie die griechische Sage, des tragischen Helden, die Besson hier wirklich selbst noch heute zeitlos gut inszeniert. Immer wieder erstaunlich, wie gut echte Qualität altert. Léon befindet sich hier ganz klar in der Kategorie Film, die man jährlich einmal ansehen kann.
4 Kommentare
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100%tige Zustimmung. Die Geschichte ist perfekt. Der Killer, der eigentlich noch ein Junge ist und das Mädchen, das durch den Mord an ihren Eltern ihrer Kindheit beraubt wurde. Ein Setup, dass jeden Schriftsteller vor Neid verblassen läßt.
Und es geht ja sogar nicht weiter. Nicht nur Jean Reno und Natalie Portman bekamen in diesem Film die Rollen ihren Lebens geschenkt. Auch Gary Oldman war nie wieder so brillant.
Nur für Luc Besson leider wurde der Film eher zum Fluch, so wie Das Boot für Wolfgang Petersen und Alien und Blade Runner für Ridley Scott. Die eigene Billanz der jungen Jahre ist eine Messlatte über die sich erfolgsverwöhnt und hochmutig ebenso schwer springen läßt, wie mit den Pfunden,die das Alter bringt.
Oldman ist hier grenzwertig für meinen Geschmack und wirkt hier eher auf einer Werbefläche für seine Rolle in The 5th Element.
Ob sich Besson hier eine zu hohe Hürde gebaut hat, ist keine Frage. Aus deinen Beispielen sieht man auch, dass dieser Effekt immer wieder eintritt. Ich habe mir letzte Woche ein Album (The Blueprint 3) gekauft, dass auch wieder beweist, welch seltenes Gut Kreativität ist. Eines was sich nicht über Jahre auf dem gleichen hohen Niveau halten lässt. Zu viele wirklich hungrige neue Mitspieler, lassen die Alten eher nach Luft schnappen, als sich wirklich weiter zu entwickeln. Zu früh zu schnellen zu großen Erfolg zu haben, lässt sich nicht kontern.
Immerhin macht Besson heute den immer gleichen Film, von immer anderen Regisseuren gedreht, aber von ihm geschrieben und/oder produziert. Fast alles davon immer noch sehr sehenswert.
Also das mit Gary Oldman sehe ich ja genau andersherum. Seine Rolle im Fünften Element ist die gleich Figur wie in Leon nur ein völlig überzogenes Abziehbild (wie alles im Fünften Element).
Ich meine … mal bitte … die Szene in der Gary Oldman den Kopf in den Nacken legt und die Drogenkapsel zerbeißt! Und das Rappel an der Drogendose vorher. Und seine Sätze. Der Tod ist heute furchtbar launisch.
Wohl unnötig zu sagen, dass ich ihn in Leno liebe und im Fünfte Element nicht leiden kann, wie den ganzen Film eingentlich. :]
Ich wollte Léon seit einiger Zeit mal wieder anschauen. Ich glaube jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür … Danke für den schönen Artikel.