Von der Verkomplizierung des Einfachen
Beim Aufräumen des Weblogs hinter den Kulissen, habe ich auch das CSS auf einen dieser hippen Preprozessoren umgestellt. Erstens weil ich es kann und zweitens, um Nachvollziehbarkeit zu bekommen. Teilweise hatte ich wirklich keinen Schimmer mehr, wie sich bestimmte Prozentwerte für das Spaltenraster ergeben haben. Bei dieser Umstellung habe ich etwas gefunden, dass ich zum Thema des folgenden Artikels machen möchte.
Meine ersten produktiven Schritte im Netz, basierten auf den damals grandiosen Webmonkey CSS Tutorials. Die Lernkurve war perfekt, die Möglichkeit sich direkt Stylesheets anderer Seiten anschauen zu können unersetzbar und im Radio lief Britney Spears mit „Hit me baby one more time“. Worauf ich hinaus möchte, ich die Tatsache, dass der Einstieg in die Technologie Frontend damals wirklich sehr einfach war und dies essentiell für weniger Informatik-afine Menschen wie mich war. Wenn ich heute selbst kaum mehr meine eigene Schrift nachvollziehen kann, dann ist der Einstieg heute kaum mehr mit damals zu vergleichen und das finde ich erschreckend, schade aber auch dann wieder nachvollziehbar. Ich vermute aber auch sehr, dass der Industrie Frontend, viele potentielle Köpfe verloren gehen, einfach weil der erste Einblick heute oft unnötig kompliziert erscheint.
Ich selbst stehe hier so irgendwie zwischen den Fronten. Auf der einen Seite mag ich das Fragmentieren offener Standards durch Millionen neuer Frameworks nicht, auf der anderen Seite bin ich selbst froh, dadurch wieder und wieder eine helfende Hand zu bekommen. Wenn ich überlege, welche Bibliotheken und Werkzeuge gerade auf meinem privaten Arbeitsknecht schlummern, dann schwanke ich zwischen Stolz und Abscheu. Keine Ahnung wie sehr ich hier ins Detail gehen soll, aber ganz ehrlich? Selbst ich muss hier mehr als einmal drauf schauen, um es erklären zu können:
.pagination { margin-right: -(((2 * @gutted-column) + @grid-gutter) * unit((100 / (100% - ((2 * @gutted-column) + @grid-gutter))),)); ... }
Ich kann nicht mal erklären was da steht und es stammt von mir. Toll nicht?
Besonders CSS Preprozessoren, die jQueries für CSS, möchte ich an dieser Stelle für den Einstieg hinterfragen. Die externe Lösung ist für meinen Geschmack so weit weg vom eigentlichen Standard, dass ich meine Probleme habe hier einem Neuling Grundlagen zu erklären. Auf der anderen Seite, scheint die Industrie selbst mittlerweile Werkzeuge wie diese zum Standard zu machen. Keine Frage, es sind großartige Werkzeuge, ohne die man am Ende des Tages aber eben auch auskommen sollte. Es ist die uralte Regel, sich bei offenen Technologien, eben von keinem Framework / Werkzeug abhängig zu machen.
Allerdings ist die Versuchung schon sehr groß. Besonders bei Projekten, die lange Zeit, vielleicht sogar noch von vielen wechsenden Händen gepflegt werden wollen, bietet sich heute eine Fülle an Helferchen, die einfach mal zur Droge werden können. Ob es den Einstieg in das Handwerk erleichtert, weiß ich nicht. Ich selbst fülle mich teilweise aber schon von der Flut neuer Lösungen überfordert. Die Angst mit jedem neuen Werkzeug, irgendwas essentielles Altes zu vergessen, ist Realität. Der schmale Grat zwischen Bequemlichkeit und Abscheu zu viel zu Automatisieren. Keine Frage im Büro liebe ich das organisierte Chaos aus Automatisierung, Testing, Versionierung und gefühlten Dutzenden Werkzeugen um den Motor am Laufen zu halten. Dass ich Teile davon aber mal für das Hobbyprojekt Weblog auf die Beine stellen werde, hätte ich nicht gedacht, aber wieso einfach, wenn es auch kompliziert geht.
Symbolbildchen via Giphy.
7 Kommentare
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Schöne neue Welt.
Das Web und seine Standards waren immer offen und in Bewegung. CSS hat sich zeitweise schwer getan, den Bedarf nach Bewegung mitzutragen. Präprozessoren sehe ich da als Testwiese, als das, was Polyfills in JavaScript sind.
Genießen tue ich z.B. die Variablen die mir Sass bietet. Längst überfällig im CSS und soll ja demnächst auch in den Standard rüberwandern.
Froh bin ich dennoch, dass am Ende der Präprozessor echtes CSS ausspuckt. Ein Präprozessor kann halt auch immer mal die Grätsche machen. Gut wenn man dann ins CSS gehen kann.
Die Lernbarkeit und Einsehbarkeit von CSS halte ich aber für sehr wichtig, und empfinde den Trend zur Minifizierung und Uglification als Fehlerhaft. Man muss nicht auch das letzte Bisschen Byte-Ersparnis rauspressen.
Kurzum: CSS-Präprozessoren mit einer dezenten Portion Skepsis entgegenzutreten halte ich für gesund, sie zu verteufeln aber für falsch.
Ich verteufle keine der tollen neuen Möglichkeiten, ganz im Gegenteil, ich nutze alles was ich halbwegs in die Finger bekomme und verstehe, aber ich sehe halt auch, dass der Einstieg heute, um ein Vielfaches schwieriger ist, als noch vor Jahren. Es ist halt auch mal die reale Situation im Arbeitsalltag, dass ich einem Neuling mittlerweile nicht nur CSS, sondern auch alle Tools die sich darum drehen erklären muss. Heute würde mein frühes Ich sicherlich an so einer Flut an Informationen kapitulieren.
„frühes Ich“ 🙂 Da jeder mittlerweile immer andere und neuere Sachen im Einsatz hat, kapituliert nicht nur Neuling. Das CSS wäre ja schnell angepasst, nur bis man das ganze Setup eingerichtet hat …
Hm… ja, bei CSS trifft das zu. Damit man zügig damit arbeiten kann, hat man im Vorfeld viel damit zu tun, sein Setup einzurichten.
Wie das so auf Neulinge wirken mag, kann ich mir nur noch schwer vorstellen. Ich weiß noch dass mich damals HTML erst im zweiten Anlauf begeistert hat, nachdem ich nochmal XML an der Uni gelernt hatte. CSS war mir mit seinen vielen Browser-Querelen und dem Kaskadieren lange lange sehr suspekt. Mit Firebug hatte CSS für mich dann einen zweiten Frühling, und hat mir CSS erst so richtig zugänglich gemacht. Das »Im Browser an den Werten drehen können« war dann sozusagen mein Magic Moment…
…und da hoffe ich, dass dieser sehr Tooling-Lastige Frontend-Ansatz der derzeit en vogue ist in ein paar Jahren wieder etwas zugänglicher geworden ist und den Neuankömmlingen in der Webentwicklung ähnliche Aha-Effekte beschert wie mir seinerzeit Firebug.
Um die Autodidakten, die irgendwie gefühlt 100% meiner Frontend Generation ausmachen, mache ich mir keine Sorgen. Wer auch heute aus purem Eigeninteresse einsteigt, der wühlt sich eh immer durch, nur ist die Industrie eben auch an einem Punkt, wo sie auf die pure schulische Ausbildung setzt und da sehe ich eben das Problem, der immer schlechter werdenden Transparenz. Vielleicht liege ich damit falsch, vielleicht aber auch nicht und in ein paar Jahren, wenn dir DRM im Browser nicht mal mehr die Quelltextansicht erlaubt, fangen alle an zu schreien. Mal schauen.
Fazit? Die ollen Webmonkey Tutorials sind immer noch ein perfekter Einstieg 😀