das seelenlose deutsche Fernsehen
Seit ein paar Wochen lese ich sehr begeistert diesen Blog zum Thema deutsche Medien-Welten, mit einem Fokus auf das Fernsehen. Wer meine Meinung zum deutschen Fernsehen kennt wird sich fragen, wieso ich solch eine Website lese? Ganz einfach, dieser Blog bringt klar auf den Punkt was ich auch hier schon geschrieben habe. Es ist unterhaltsamer über das deutsche Fernsehen zu lesen, als es selbst zu konsumieren.
Heute dann überschlagen sich die Ereignisse bezüglich Sat. 1. Zuerst wird ein Mittagsmagazin über Nacht abgesetzt, dann stellen Politiker die Frage nach einem Lizensentzug und es wird offen von einem massiven Stellenabbau gesprochen. Alles eigentlich noch recht unspekakulär.
Wenige Minuten später verkündet der deutsche Grimme-Preis-Blogger einen Kommentar dazu, getreu dem Motto „Skandal – im Privat-Fernsehen regiert der schnöde Mammon!“. 20 Jahre nach Einführung des Privatfernsehens fällt Deutschland auf, dass Fernsehen zu einem seelenlosen Geschäft geworden ist. Was für ein Schock.
Das deutsche Fernsehen hat seine Blütezeit hinter sich. Zumindestens vorerst. Der Dank geht an das Internet und an eine versaute deutsche Fernsehkultur. Ein paar Fakten für die Diskussion: das Durchschnittsalter der ARD und ZDF pendelt kurz unter und weit über die 60er-Marke. Den Öffentlichrechtlichen sterben die Zuschauer buchstäblich weg. Die Privaten fahren seit Jahren die besten Quoten mit dem immer gleichen Einheitsbrei bzw. Uralt-Formaten. Zuschauer wie mich verliert das Fernsehen zunehmendst an die neuen Medien und offenbar hat das deutsche Fernsehen kein Mittel dagegen in der Hand.
Er kann es sich auch leisten, treue Serienfans ununterbrochen zu verprellen, wie es ProSieben seit einiger Zeit mit großer Konsequenz tut, offenbar immer mit dem Kalkül, dass es wichtiger ist, kurzfristig die Zahlen zu bessern als sich langfristig eine treue Fangemeinde aufzubauen.
Diesen Satz möchte ich kurz kommentieren. Qualitätsformate – egal ob hausgemacht oder importiert – finden bei uns seit Monaten kein Publikum sind also kommerzielle Flops. ARD prischt hier mit seinen 18.50 Uhr Serien vorran, Pro Sieben zieht mit den US-Importen und Stromberg nach. Alles Sendungen von den Kritikern geliebt von den Zuschauerns missachtet. „Warum ist das so?“ fragt sich Deutschlands Fernsehwelt und ich antworte…
Ein Herz und (k)eine Seele
Deutschland hat es verschlafen, sich eine Autoren-Landschaft aufzubauen und diese zu pflegen. Die großen erfolgreichen Produktionen der USA bauen auf Generationen erfahrener Autoren-Teams, mittlerweile so effizient, dass sogar Hollywood vom TV abwirbt. In Deutschland existiert seit den 70ern kein echtes Autoren-Fernsehen mehr, was Serien betrifft. Drum fehlt auch heute der Nachwuchs bzw. ist eine Lücke für solche Inhalte vorhanden. Die breite Masse kann an Stromberg keinen Gefallen finden, da sie von Import-Zeugs der letzten 20 Jahre konditioniert ist. Leute die mit damaligen US-Sitcoms aufgewachsen sind, sind geprägt von einer Qualität, die heute kaum mehr vorstellbar ist. Anspruchsvolles, gutes nationales TV-Material ist beim heutigen Zuschauer ein Buch mit 7 Siegeln, an das sich ein Bruchteil aller Zuschauer wagen wird.
Gleiches gilt für aktuelle US-Serien, die in den USA erfolgreich laufen, hier aber abstinken und eingestellt werden. Dies basiert auf der Tatsache, dass das deutsche Publikum nicht das amerikanische ist. Die Geschmäcker sind wirklich verschieden. Die deutsche Synchronisation tut ihr übriges dazu. Statt dessen holt man jahrzehnte altes Zeug raus, was der Zuschauer kennt und liebt. Stillstand nennen wir sowas, oder im Fall der deutschen Scripted-Reality-Formate Rückschritt in die Lobotomie.
Wenn sich die privaten nun in die profitable Zone retten, dann ist das nicht verwunderlich, sondern wirtschaftlich und es ist kein Skandal, sondern eine Folge der Finanzierung. Ohne staatliche Subventionen wären auch dutzende Formate der öffentliche Sendeanstalten schon längst auf dem TV-Friedhof. Achja, die Lobby der Volkmusik zieht jetzt wahrhaftig eine Klage bezüglich Diskreminierung gegen das ZDF in Betracht, welches seine Volksmusik Formate einstellen möchte. Sowas nennt man Artenschutz-(TV-)Programm.
Das deutsche TV wird es angesichts des immer stärkeren globalen Marktes und eines immer medienkompetenteren Publikums sehr schwer haben, mit anspruchsvollen Inhalten kommerziell erfolgreich zu sein. Wenn plötzlich viele schockiert sind über kommerzielles sinnleeres Fernsehen, dann hat wohl noch niemand YouTube gesehen, Fernsehen im YouTube-Stil wird auch hier nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wir sprechen von unterirschich knapp bemessenen Produktionen von Teams mit einer Hand voll Leuten realisiert. Der YouTube-Stil halt. Sat. 1′ Mittagsmagazin mag immerhin noch ehemals hochproduzierte Inhalte verwertet haben, aber es geht noch viel billiger. Deutsche Straßenfeger wird es abgesehen von Sportveranstaltungen so schnell nicht mehr geben. Vor ein paar Jahrzehnten schafften dies noch einfachste Rate-Shows. Anpassung in der wilden Welt des deutschen Fernsehens anno 2007.
PS. Die Zwischenüberschrift dürften nur ganz ganz wenige Leser richten deuten können.
4 Kommentare
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global $hemingway ?>Wie recht du doch hast!
Ich sehe seit Jahren nur noch sehr gezielt fern, was soviel bedeutet wie ich schalte zur Sportschau, Stromberg und den Simpsons ein.
Der Anfang vom Ende liegt auch schon Jahre zurück und wurde vom ersten Apokalyptischen Reiter namens Big Brother eingeleutet.
1-2 Stunden
(im Monat!)
nuff said…
Fernsehen?
Sorry, aber wenn ich Internet + Spiele oder ein gutes Buch habe, dann verbringe ich meine kostbare Zeit lieber damit.
Bessere Stories, aktive Berieselung, gezielte und interessantere Inhalte… sind mir einfach lieber.
~Glyx
ach und wenn man wirklich mal einfach in die Röhre schauen will gibt es ja immer noch DVD und VCD =)