Portal – spielerische Reinheit
Portal is ein wirklich in jeder Beziehung anderer Titel, der sowohl bei Kritikern als auch Spielern Lob ernten konnte. Ich habe Portal als Teil der Orange Box gekauft. Zwar kann ich nicht sagen das Portal der beste Inhalt der Box ist, aber es bietet die vielleicht besten wenigen aber dafür umso unterhaltsameren Spielstunden. Portal ist ein Puzzle-Game versteckt in der 3D-Source-Engine und einem Look&Feel, der besonders an dieses legendäre Björk-Video erinnert. Der Spieler schlüpft in die Rolle der Protagonistin, die in einer engen Zelle erwacht und als Teil eines Experiments im Stil des Films Cube, Tests bestehen muss, um ihrem Gefängnis zu entkommen. Diese Tests sind die jeweiligen Kammer bzw. Level des Spiels. Für den weiteren Verlauf des Textes gibt es den ein oder anderen Spoiler.
Kern aller Portal-Puzzles ist die dem Spiel namengebende Portal-Gun, die dem Spieler ermöglicht Portale zu erschaffen um von einem Ort des Raumes in einen anderen zu gelangen. Klingt einfach, ist es zum Beginn auch. Portal ist ein absolutes Designer-Spiel im Sinne des Begriffs Game-Design. Dem Spiel gelingt es perfekt, die Regeln langsam zu erklären, ohne direkt und schnell Druck auf den Spieler auszuüben. Wer vielleicht noch den ersten Teaser in Erinnerung hat, der wird im finalen Produkt vielleicht enttäuscht werden, da man allzu abstrakte und somit fordernde Puzzles und Geschicklichkeitstest entfernt hat und Portal so herlich locker und zugänglich geworden ist.
Beim ersten Durchspielen hatte ich im 18ten der 19 Räume ein Tief. Bis dato übt das Spiel sogut wie keinen Hauch von zeitlichem Druck auf den Spieler aus. Kammer 18 und 19 jedoch ziehen dann spürbar an und warten mit zum Teil zu akrobatischen Einlagen auf und schieben Portal so deutlich in die Nische der hektischen FPS-Shooter-Kost, auch wenn im ganzen Spiel nicht ein Schuss fällt. Kammer 19 war dann auch die einzige Stelle im Spiel, wo ich wirklich den weiteren Weg nicht mehr gefunden habe. Das Spiel fällt an dieser Stelle optisch zurück auf seine Half-Life 2 Wurzeln und der klaren Optik weichen im Schatten liegende rostige Pfade, die erstmal gesehen werden möchte.
Präsentation und Game Design
Optik und Sound sind nur die Sahne auf dem Kuchen. Kuchen spielt übrigens am Ende des Spiels eine wichtige Rolle, genauso wie es die Präsentation schafft, einen simplen Würfel echten Charakter zu geben. Optisch dominiert eine perfekt inszenierte Sterilität, die von der Off-Sprecherin (im englischen Original) passend unterstrichen wird. Besonders zum Ende des Spiels kommt dieser Sprecherin eine besondere Rolle zu. Insgesamt ist die Präsentation besonders stilistisch sehr gelungen. Spätestens wenn der Boss besiegt ist und das Outro samt gesungenem Lied auf dem Screen flimmert, merkt man recht schnell, das Portal etwas besonderes geworden ist. Portal besitzt Charme und Reinheit, etwas was wirklich sehr selten geworden ist, wo Millionen-Budgets von Videospielen generische Dutzendware produziert.
Portal ist im besten Sinne des Begriffs ein Casual Game. Auch wer nichts mit dieser Art Spiel anfangen kann, dem sei Portal sehr empfohlen. Portal vermeidet ganz bewusst zu anspruchsvoll zu werden, was das erste Durchspielen betrifft. Es lässt erahnen, dass die Macher noch unverbraucht und unversaut vom Business sind.
Dieses Spiel beweist auch endlich seit langem mal wieder, dass gute Spiele immer noch aus nur einer ganz simplen Idee bestehen und dennoch unglaublich viel Spaß bereiten können, wenn man die eine Idee nur gekonnt genug ausnutzt. Portal ist spielerischer Minimalismus in seiner besten Form. Portal ist ein Sandbox-Game ohne jemals das Konzept ins Auge gefasst zu haben. Die Gundidee bringt es mit sich. Das letzte mal, dass ich sowas ähnliches gespielt habe, war Cannon Fodder, mit dem Portal erstaunlich viele Gemeinsamkeiten verbindet, nicht nur einen Ohrwurm als Titel-Song. Portal erlaubt besonders in den späteren Leveln mehrere Lösungen. Nach dem ersten Durchspielen, habe ich mir ein paar Videos anderer Spieler angeschaut und sehr oft völlig andere Lösungen gesehen, die ich beim ersten Durchspielen überhaupt nicht in Betracht gezogen habe. Besonders der Anfang der letzten Kammer.
Portal schafft es auch unvergleichlich und im direkten Vergleich mit EP2, besser eine Geschichte zu inszenieren. Es gibt keine Cutscenes, keine Dokumente im Spiel, nicht mal Dialoge. Es gibt einen einzigen Charakter, der als Off-Sprecher durch das Spiel leitet und langsam aber massiv an Ecken und Kanten gewinnt, um schließlich als wunderschön inszenierter und lustiger Bosskampf zu enden.
Als Teil der Orange-Box ist Portal konkurrenzlos. Einzeln kostet es wohl 20,- Euro und bietet effekiv eher wenige Spielstunden. Lohnen tut sich definitiv das erste Durchspielen, samt einem zweiten Anlauf mit eingeschaltetem Kommentar der Entwickler. Man darf von diesem Team noch einiges erwarten, sofern sie mit dem Erfolg von Portal nicht auf diese eine IP festgenagelt werden. Rechnen darf man sicherlich mit zusätzlichen Maps, kostenlos oder gegen ein kleines Entgelt. Völlig uninteressant in meinen Augen, ist der Versuch den Ansatz dieses Spiels – die Portal Gun – in andere Formate zu verfrachten. Das kann nur schiefgehen. Portal ist so wie es ist fehlerfrei, abhacken und was Neues anfangen bitte. Im Schutz der Orange-Box genießt Portal auch einen sehr stabilen Artenschutz.
Das Spiel ist insofern wichtig geworden, weil es beweist, dass auch bei Videospielen im Jahre 2007, weniger oft mehr sein kann. Besonders der Vergleich mit Bioshock bietet sich hier an, da Bioshock so ziemlich das beste Ying zu Portal’s Yang ist, unterm Strich aber trotzt seiner Masse an dutzenden Ideen, dutzenden Waffen, Grafiken und Story in Vergessenheit gerät, während Portal einzigartig und auf lange Zeit unvergessen bleibt. „Still alive“
1 Kommentar
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global $hemingway ?>Hört sich gut an. Habe mir die Orange Box mal angeschaut, werde ich mir wohl kaum kaufen, aber evtl. dann doch das Spiel einzeln, auch wenn es wie du sagst für ~20€ nicht besonders viel Spielzeit bietet.