The Hateful Eight
Man stelle sich nur vor, The Hateful Eight hätte schon letztes Jahr den Weg auch in unsere Kinos gefunden. Was für ein Filmjahr. So geht 2016 immerhin auch schon toll los. Der achte Film Tarantinos geht zurück an die Anfänge. Für mich stellt sich Eight in der Bestenliste aller Tarantino Filme, auf eine Stufe mit Reservoir Dogs und teilt sich damit hinter Pulp Fiction den zweiten Platz.
Die Parallelen zu Reservoir Dogs sind nicht zu verkennen. Er zitiert sich mal selbst und noch einen anderen meiner Lieblingsfilme. Von Das Ding aus einer anderen Welt borgt sich der Regisseur nicht nur Hauptdarsteller, Stimmung, Grundkonzept, Musik, nein sogar das Ende. Während The Thing jedoch die Zeit mit außerirdischen Trickeffekten überbrückt, verlässt sich Eight auf Tarantino Dialoge. So gut hat er lange nicht mehr geschrieben. Es ist eine Poesie der Bedrohung, wie ich sie woanders einfach nicht finde. Es ist bemerkenswert, wie hier der Autor Tarantino sich nach all der Zeit noch immer weiterentwickelt. Eight ist Tarantino hoch zehn. Genau was ich erwartet habe, aber das ging bei meinem Kinobesuch nicht allen so.
Ich kam nicht herum, beim Verlassen ein Gespräch sehr junger Zuschauer am Rande zu verfolgen und diese “haben sich was anderes erwartet”. Ich nicht. Ich wollte Vintage-Tarantino und den gibt es hier ungefiltert. Wie immer empfehle ich hier die englische Fassung. Die feinen Details solcher Dialog kann keine Synchro tragen, besonders nicht, wenn hier einige Schauspieler vielleicht die Vorstellung ihres Lebens geben.
The Hateful Eight ist dreckig, gewalttätig, rassistisch, politisch und komisch. Der Film ist unangenehm, schon bei Dialogen und mündet in einem textlichen Zenit, den der Autor seit True Romance mit der Sizilianer Szene nicht mehr erreicht hat.
Einen weiteren Aspekt muss ich unbedingt ansprechen. Während eigentlich alle großen Filme des letzten Jahres, teilweise verkrampft, teilweise sehr elegant einen feministischen Winkel installieren konnten, so war ich auch davon überzeugt, dass die einzige Frau in Hateful Eight auf diesen Zug aufspringen wird. Ich finde es beeindruckend, wie Tarantino sich dem Trend verweigert. Daisy ist so altbacken, dass sie schon wieder modern ist. Ich würde fast behaupten, der Film schreit förmlich, “ich habe wichtigere Themen abzuarbeiten”. Nichts gegen diese Figur, aber sie ist zu jeder Sekunde Beiwerk und keine Furiosa.
Was muss ich noch sanfter Kritik stellen? Tarantino liebt Flashbacks. Mal nur in Dialogform, mal als komplett gefilmte Sequenzen. Samuel L. Jacksons Major Warren bekommt zwei kritische Flashback Optionen. Die eine – aufwändig zu filmende – wird nur erzählt, die andere kann man in Schnitten verfilmt miterleben. Mir wär es anders rum lieber gewesen. Beides funktioniert großartig, keine Frage.
An Gewaltdarstellung, hat man sich als Tarantino Fan ja schon gewöhnt und K’n’B FXs sorgen für ordentliche Sauereien am Set. Persönlich brauche ich davon heute eigentlich eher weniger und Hateful Eight geht nicht soweit, wie die Ohrszene aus Reservoir Dogs, immerhin.
Hateful Eight schafft es, temporär dem übelsten menschlichen Abschaum, einen Hauch Sympathie zu verleihen. Irgendwie, irgendwann, findet man einen der Darsteller nicht völlig grundlos schlecht, auch wenn es nur für eine Sekunde ist. Allein die Vorstellung, dass Auteur Tarantino nur noch zwei solcher Perlen plant, muss uns hier ins Kino treiben. Beide Daumen nach oben. Ein makelloser Genrefilm, den ich wirklich sofort noch einmal sehen könnte.
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