"We're a thousand miles from nowhere, man, and it's gonna get a hell of a lot worse before it gets any better!"
Das Ding aus einer anderen Welt
Eigentlich wollte ich einen Eintrag schreiben, über die Wiederentdeckung bekannter Filme, die sich heute in einer visuellen Qualität präsentieren, für die sie niemals ausgelegt waren. Nach dem Anschauen der Bluray von The Thing jedoch, ist die Lobeshymne für den Film längst überfällig. Hier haben wir einen Film, der in alle Fallen tappt, die ich heute am modernen Film kritisiere und dennoch ist er dabei so unzeitgemäß, dass er Jahrzehnte später zu meinen Lieblingsfilmen zählt.
Carpenters Film ist selbst ein Remake eines Howard Hawks Klassikers. Heute schimpfe ich über jede Neuauflage eines bekannten Films und trotzdem ist hier ein Beispiel, dass zeigt, wie auch eine Neuauflage funktionieren kann. Carpenter ist ein Künstler darin. Am Ende ist The Thing eine „einfache“ Mischung aus dem Hawks Original und Alien. Vor Monaten wurde ein schnöder Artikel veröffentlicht, der dokumentiert, wie Carpenter in Lichtgeschwindigkeit, aus einem miesen Reißer, seinen Genreklassiker gezaubert hat. Einfach nur faszinierend. Alle diese Szenen sind heute Schlüsselszenen des Films. Wenn ich immer lese, wie Hollywood heute versucht Filme im letzten Augenblick zu retten, dann bekommt diese kleine The Thing Fabel eine neue Bedeutung. Die Präzision solcher Änderungen unterscheidet eben eine Legende wie John Carpenter, von heutigen Regisseuren. Am Ende ist auch dies nur eine von vielen Zutaten dafür, dass ich mehr als dreizig Jahre später diesen Text schreibe.
One more Thing
The Thing war zu seiner Zeit nicht der sofortige Genreklassiker. Man schaue sich nur sein Veröffentlichungsjahr an. Was war 1982 noch so im Kino zu sehen? E.T., Tron, Star Trek – Der Zorn des Khan, Rambo, Blade Runner, Conan und eben auch dieser Film. Mit Ausnahme von E.T. alles Spätzünder des Erfolgs. Besonders aber The Thing, war vielleicht noch im faden Beigeschmack eines Alien ohne echtes Profil. Die Mischung aus Hochglanz-Blockbuster und dreckigem Exploitation Kino, muss sich erst eine Zielgruppe finden. Kategorisch schließt man dabei erst einmal alle weiblichen Zuschauer aus? Ich finde so schnell kein anderes Beispiel, bei dem ich das fehlen weiblicher Protagonisten so rechtfertigen möchte und kann, wie bei The Thing. Irgendwie bekommt der Film für mich dadurch eine fette Prise Western hinzu. Es ist die Reduzierung auf das Wesentliche, die gekonnt den Vergleich zur offensichtlichen Anleihe umgeht.
Alien war und ist mit diesem Film einfach immer zu vergleichen. Den Vergleich hält der Film stand. Auch wenn ich selbst eher ein Alien bevorzuge, so sehe ich The Thing als den besseren Horror-Film. Carpenter spielt perfekt mit der Kernidee des Konzepts. Die perfekte Imitation eines Menschen ist am Ende doch fesselnder, als jedes noch so schrecklich-schöne Monster, aber selbst davon hat der Film einiges zu bieten. Die Bluttest-Szene spiegelt den Film für mich am besten wieder. Ein winziges Set, eine noch grad so glaubhafte Idee, angespannte, bewaffnete Charaktere, keine Musik, keine Störfaktoren. Selten ist Genre-Horror so fesselnd wie in diesem Augenblick.
Flickwerk
Besonders im Vergleich mit dem schrecklichen Prequel und diversen anderen Vertretern des Genrefilms, fällt auf wie die Balance aus Exposition und Zwischen-den-Zeilen-Schauen hier stimmt. Auf der einen Seite existiert die Sequenz Computersequenz, die Blairs Untersuchung dokumentiert. Hier könnte der Film nicht eindeutiger sein. Auf der anderen Seite verschwinden komplette Figuren, ohne dass man als Zuschauer davon was sieht, hört und auch nur im Ansatz mitbekommt. Wieder und wieder wechselt The Thing zwischen beidem und liegt dabei immer richtig. Nach dem gleichen Prinzip funktionieren alle Figuren im Film. Auch hier darf man bei The Thing in die Filmschule gehen. Der Film bietet viele Charaktere. Sehr viele sogar, alles Männer, viele davon optisch doch sehr ähnlich. Die meisten bekommen maximal einen Zunamen. Dennoch verliere ich nie den Überblick. Allein durch die Optik bekommen viele einen eindeutigen Charakter. Es ist auch hier das mehr oder weniger Subtile. Der einsame Hirte, der verrückte Wissenschaftler, der laute Jungspund, alles Archetypen die funktionieren.
„I know I’m human. And if you were all these things, then you’d just attack me right now, so some of you are still human. This thing doesn’t want to show itself, it wants to hide inside an imitation. It’ll fight if it has to, but it’s vulnerable out in the open. If it takes us over, then it has no more enemies, nobody left to kill it. And then it’s won.“
Kurt Russel als MacReady ist dabei schon wieder so altbacken, dass es modern ist. Der langsam ins Licht tretende Alphawolf, mit mehr Widersachern als Freunden. MacReady funktioniert weil es eine Figur ist, mit der ich als Zuschauer so vertraut bin. Es ist die bekannte Rolle in einem völlig unbekannten Spiel. MacReady ist Anker für Zuschauer und für die Geschichte. Als Protagonist ist MacReady heute furchtbar unzeitgemäß, aber gerade auch dafür mag ich den Film. MacReady ist Superheld ohne dass er im zweiten Akt seine Tage bekommt. Er bekommt keine Hintergrundgeschichte. Sein Superkraft ist das Gewöhnliche, das Rationale. Herrlich. Insgesamt ist das Drehbuch mehr als solide. Der Verzicht auf die Quotenfrau, die im Kern doch einfache Geschichte mit epischsten Zielen (Ende der Menschheit), der Verzicht auf ausartende Hintergrundgeschichten, die aufbrechende Gruppe als Hauptprotagonist… The Thing macht das Wenige so richtig.
Handwerkliche Dinge
Als ich den Film zum ersten Mal gesehen habe, waren es natürlich so oberflächliche Dinge wie Trickeffekte, die mich sofort zum Fan werden ließen. Carpenter versteht es einfach einen Film gut klingen und aussehen zu lassen. Das Ding aus einer anderen Welt klingt und sieht aus wie der typische 80er Carpenter. Die Musik des Films ist eine seltsame Mischung aus einem Ennio Morricone, der Jerry Goldsmiths Alien Musik im Regal stehen hatte und dem typischen Carpenter Synth-Orgien. Erstaunlicherweise funktioniert auch dieses musikalische Flickwerk besser als erwartet. Im Ohr bleibt aber eher doch die minimalistischen Tonfolgen Carpenters selbst. Nicht grundlos hat auch das Prequel diese Musik wieder und wieder benutzt.
The Thing ist neben all dem so Anspruchsvollem am Ende aber auch eine große Trickeffektspektakel. Rob Bottin ist durch diesen Film zur Legende geworden. Nicht nur die Gestaltung, auch die Umsetzung ist hier noch immer sehenswert. Das Handwerk des praktischen Trickeffekts ist heute leider fast ausgestorben. An seine Stelle sind seelenlose Pixelwerke gerückt, die meiner Meinung nach im Horror-Genre nicht so wundervoll funktionieren, wie mit Kunstblut, Gedärm und Schleim gefüllte Kondome, die man in die Gesichter der Darsteller explodieren lässt. Ich beneide den Film immer noch für seine Kreaturen. Sicher alles wirkt nicht so elegant und geschmeidig wie aus dem Rechner, aber immerhin bekommt mein Auge überhaupt was Greifbares. Der moderne Trickeffekt aus dem Rechner, hat seine Magie verspielt. Auch hier kann das Prequel dem Original nichts anhaben.
Passend zum Artikel, hab ich mir auch mal diverse Making-Ofs zum Film angeschaut. Bottin selbst wohnte während der Produktion im Studio. Ein ganzes Jahr lang und ging danach direkt ins Krankenhaus. Wenn man immer davon spricht, Herzblut, Schweiß und Seele in die Arbeit zu legen, so stimmt das in diesem Fall wirklich mal. Die Kreaturen sind innovativ, teilweise wirklich ekelhaft, immer durchgeknallt und wundervoll absurd inszeniert. Ich kann mich noch immer nicht dran satt sehen.
Finale Dinge
Auch dieser Film hat seinen Makel. Ich verstehe ja, dass ein Film dieses Genres sein großes Finale braucht. Besonders so Trickeffekt geladene Werke, setzen auf den großen Knall am Ende des Films. Leider erlaubt sich The Thing hier seine einzige Schwäche. Zu ambitioniert, zu überflüssig, zu wenig Wirkung lautet mein Urteil. Der große letzte Kampf gegen das Monster, übertrifft selbst Bottins Zauberkiste. Carpenter hat zuvor ein anderes Studio beauftragt, die Sequenz mit kleineren Stop-Motion-Modellen zu realisieren. Das Ergebnis war wohl nicht gut genug und so wurde das Finale nachgedreht. Die Sequenz ist schon im Drehbuch zu ambitioniert und enthält noch zusätzlich eines der Schneefahrzeuge, welches so im Film nicht mehr zu sehen ist. Ganz ehrlich? Am liebsten würde ich diesen Teil des Films einfach überspringen, um zu der letzten Szene zu kommen…
Ich lese oft, wie schwierig es sei, das Ende einen Films zu schreiben. Selten geht es gut. Mehr als oft schimpfen wir Fans was Autoren und Regie alles falsch gemacht haben. Ich kenne wirklich sehr wenige Filme, die in ihren letzten Sekunden so in Erinnerung bleiben wie es auch dieser Film schafft. Der Trick ist auch hier ein einfacher, den aber kaum ein Studio mehr wagt und den spätestens das Testscreening entzaubert. Carpenter erlaubt sich bei Das Ding aus einer anderen Welt ein offenes, wenn auch eher in die negative Richtung kippendes Ende. Auch dafür liebe ich den Film. In meiner Version ist weder Childs noch MacReady das Ding, aber beide erfrieren alkoholisiert mit der Gewissheit, die Erde gerettet zu haben. Die Gewinner verlieren dann doch irgendwie. Ein tolles Ende.
The Thing ist Bilderbuch Genre Kino. Es ist Kino das inspiriert und dies auch noch Jahrzehnte später. Ich verstehe nicht, wieso das moderne Kino sich nicht an solchen unangepassten Klassikern orientiert. Dieser Film ist keine Modeerscheinung, ist kein Trend, ist nicht Werk von Eintagsfliegen. Es ist dieser Widerspruch aus diversen im Artikel aufgeführten Einzelteilen, die aus dem Film Magie haben werden lassen. Für mich bleibt es ein ein Film der trotz seines düsteren Genres, seiner Kälte bei jedem Anschauen Wärme spendet.
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