Synthetik
Sythetisch ist ein Wort, dass ich unbewusst in den letzten Wochen wieder und wieder gehört, gesehen, zwischen oder direkt in Zeilen gelesen habe. Ich gebe zu es geht oft um das Medium Musik, aber ich finde dieser Trend lässt sich auf jedes Popmedium übertragen. Ich sehe es in Filmen, sehe es im Grafik Design und erlebe es indirekt in Computerspielen. Hier ein paar Referenzen zum Thema. Als erstes ein kurzer Ausschnitt aus einem Interview, mit einem der markantesten Musikproduzenten der letzten fünfzehn Jahre. Interessant wird es ab Minute 10:30.
Die gleiche Aussage in einem Daft Punk Interview:
You have said in many interviews that dance music as a whole is suffering right now. Why?
Dance music is almost exclusively made today with laptop computers, on the same software, with the same virtual instruments, and a lot of the same drum sounds. Computers, as music instruments, are making it difficult for musicians to have their distinctive sonic personality, and a lot of dance records are starting to sound the same, in a very formatted way. #
Accessibility vs „Dumbing it down.“
Bei Spielen gibt es seit Jahren die Bezeichnung des dumbing down. Es beschreibt, dass man viele kleine Hürden entfernt, um eine größere Zielgruppe zu erfassen. Die Grenzen des Entfernens störender Hürden und essentiellen Herausforderungen, sind fließend und schon hier predigen viele, dass man die Seele des Mediums auch damit ausbluten lässt. Der Weg des geringstens Widerstands führt langsam aber sicher in den Abgrund und zwar über alle Medien hinaus.
Bei Musik ist es der immer gleiche wirklich völlig synthetische Klang. Bei Filmen sind es synthetische Drehbücher, verfilmt in synthetischen Kulissen. Grafik Design sind klinisch reine Photoshop Filter. Spiele vereinen alle diese Dinge in sich. Es ist traurig, ironisch und lustig, dass eben jenes musikalisches Duo, dass die synthetische Musik auf eine neue Stufe gehoben hat, Fortschritt nun im Blick zurück definiert. Je mehr wir uns mit Alltagstechnologie belohnen, desto offensichtlicher wird die Dominanz der gleichen Technologie, als Werkzeug moderner Kultur.
Zwar ermöglich Technologie den immer einfacheren Zugang zur Kreation, aber zu welchem Preis? Völliger Generik, vielleicht nicht in der Nische, aber für die Masse. Popmusik war nie so schlecht wie die letzten 10 Jahre. An den Laptops sitzen weltweit vielleicht ein Dutzend Produzenten, deren Werkzeuge wirklich keine echten Instrumente mehr sind. Die moderne Musikapplikation, ist der CGI-Effekt der Musik geworden: reduziert eine Bereicherung, in der Praxis jedoch der Verlust von Variation. Der Computer als Werkzeug ist soweit gereift, dass er wie alle Werkzeuge, nur in den Händen ganz weniger wirklich noch eine kreative Bereicherung darstellt.
Random Access Memories
Dass das neue Daft Punk Album als vielleicht schon logische Konsequenz, einen Schritt zurück geht, sollte sich jedes andere Medium abschauen. Ich kenne mich zu wenig mit Musik aus, um ein Album wie dieses detailliert bewerten zu können. Tatsache ist, ich gehöre zu einer Generation, die den Sturz der Popmusik, ins völlig digitale Tal live miterlebt hat. Ich kannte keine analoge Popmusik. Daft Punk reißen ein, was sie selbst mit aufgebaut haben. Mich beeindruckt die reine Detailverliebtheit. Nach Timberlakes The 20/20 Experience nehmen sich auch hier Lieder wieder mehr Zeit. Das Album ist eine Erfahrung, ist Inspiration, ist Weiterentwicklung durch Rückschritt, ist perfektes Oxymoron, ist gestreckter Mittelfinger in Richtung einer Zielgruppe musikalisch versauter Zuhörer. RAM ist genauso auch ehrlicher Kitsch, wie gegeißelter Minimalismus.
Ich hoffe, das Medium verkrampft sich jetzt nicht wie bisher, auf das Kopieren erfolgreicher Musik. Ich glaube bei diesem Album ist das auch nur schwierig umsetzbar. Mir persönlich fesselt ein Gedanke: hier hat sich jemand richtig viel Zeit genommen, hat sich viele Gedanken gemacht, hat sich in Details verloren, hat Zeit verschwendet, um sie später zu sparen. Sorgfalt ist das Schlagwort. Random Access Memories ist großes Handwerk und das sollte mit dem Kauf belohnt werden. Ich hasse zeitgemäße (Tot-)schlagworte, aber dieses Album ist sowas von entschleunigte Popmusik.
Das Handwerk ehren
Vielleicht mag es nur eine Phase sein, aber ich bin momentan sehr melancholisch angehaucht und da ist dieses Album der Punkt auf dem i. Perfekt fasst es jedoch dieser Satz zusammen. Auch Daft Punk die sich der Thematik im aktuellen Album wohl komplett angenommen haben:
„Technology has made music accessible in a philosophically interesting way, which is great,“ says Bangalter, talking about the proliferation of home recording and the laptop studio. „But on the other hand, when everybody has the ability to make magic, it’s like there’s no more magic — if the audience can just do it themselves, why are they going to bother?“ #
Ich stimme zu. Der magische Aspekt kreativer Werke, ist in den letzten Jahren verloren gegangen. Wenn jeder der Superheld ist, ist keiner der Superheld. Man schaue sich nur diverse Online-Musik-Plattformen an. Es entsteht soviel Musik wie nie zuvor. Nur weniges davon ist „gut“ aber eben fast alles ist durch und durch synthetisch. Der Computer als das Instrument, scheint erstmals Stillstand eines Mediums zu bedeuten. Es ist wichtig über die eigene Tastatur hinaus zu schauen. Alles was wir heute im Web Design predigen, findet seinen Ursprung auf dem Papier. Ich begrüße es sehr, dass mit Popmusik vielleicht auch ein weiteres Medium den Blick zurück wagt, um einen Schritt nach vorn zu gehen. Das Handwerk beginnt nicht an der Tastatur eines Computers.
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