Passiv Aggressiv
Steam’s Sommer-Super-Preis-Aktion hat den Randeffekt, dass viele Titel auf der Festplatte landen, die ich für den vollen Preis niemals gekauft hätte. Bei Preisen unter 10,- Euro jedoch, habe ich kein Problem damit, auch nach kurzer Spielzeit wieder zu deinstallieren. So kommt es, dass ich wieder viele Titel spiele, die eigentlich nicht meiner Komfort-Zone entsprechen. Willkommen im Reich moderner Single-Player-FPS. Statt einfach die alte „Früher war alles besser“-Flagge zu hissen, vergleichen wir einfach mal zwei repräsentative Videos. Fangen wir an mit Quake das vor kurzem sein 15-jähriges Jubiläum gefeiert hat. So sieht fünfzehn Jahre altes Single-Player-Gameplay aus:
Zum Vergleich ein Video des erfolgreichsten Franchise aller Zeiten, welches mit solch brillanten Gameplay zur Gelddruckmaschine geworden ist. Call of Duty – Black Ops:
Wie konnte es dazu kommen, dass aus einem tollten Genre mit echtem Gameplay, eine solch lächerliche Farce geworden ist. Ein Aneinanderreihung semi-interaktiver Sequenzen, bei denen man nur noch Zuschauer statt Spieler ist? Nun es ist eine Kombination vieler Faktoren. Primär ist die Fusion aus wachsender Zielgruppe und unpräziser Interfaces Schuld am Untergang des Single-Player-FPS. Gameplay ist für Effekthascherei geopfert worden. Vielleicht etwas überzeichnet, trifft es diese Illustration sehr gut.
Half Medal of Life
Zwei Titel sind entscheidend auf dem Weg zum heutigen Single-Player FPS. 1998 setzt sich Valve mit einem großen Quake Mod ein Denkmal. Half-Life verändert alles. Statt purem Geballer versucht ein Studio mehr Film in das Medium zu bringen. Half-Life ersetzt Geschicklichkeit mit erzählerischen Elementen. Einfach formuliert muss sich ein Spieler fortan, seine Belohnung weniger aufwändig erspielen, sondern wird in Form von Cut-Scenes und Skripting wie in einer Geisterbahn automatisiert unterhalten.
Ein Jahr später schließlich ist es ein großer Hollywood-Name, der das Genre bis heute so negativ prägt. Im gleichen Jahr wie Half-Life kommt Saving Private Ryan in die Kinos. Spielberg selbst ist es schließlich, der mit Medal of Honor an Anlehnung zu seinem Film, die Blaupause für heutige FPS zeichnet. Medal of Honor mischt Half-Life mit realen Inhalten. Es ist im ersten Teil pures Konsolen-FPS und nach GoldenEye sicherlich der zweite so wichtige Schritt in die heutige Richtung des Genres. Medal of Honor ist gut und wurde suxzessiv in seiner Art perfektioniert. Aus Medal of Honor wurde Call of Duty und der Rest ist Geschichte.
Das Genre ist gefüllt zum Stillstand gekommen. Da selbst bei Multiplattform-Titeln Joypads das primäre Interface geworden sind, besteht die durchschnittliche Action-Szene in einem modernen FPS, aus einer grafisch verbesserten Version vom 80er Klassiker Duck Hunt. Die Koordination von Bewegung im Raum und gleichzeitigem Zielen ist 2011 nicht mehr existent. Begründet wird das Ganze mit dem Label Realistic Shooter. Dass dabei Spieltiefe verloren geht, verschmerzen Hersteller angesichts steigender Umsätze. Das Genre ist vom Spiel zum interaktiven Film mutiert und das mit einer Intensität, die einfach nur betäubend ist. Wer scharf drauf ist eine stundenlange Omaha Beach Szene aus Private Ryan zu spielen, der im heutigen Genre glücklich werden.
Von Rhythmus und Pacing scheinen moderne Studios wenig Ahnung zu haben. Es ist nicht verwunderlich, dass wir bis heute kein Episode 3 sehen, denn ein Konzept wie Valve es pflegt, wird vom Markt finanziell bestraft. Statt dessen transportiert man klassisches Single-Player-FPS Gameplay, eher in völlig andere Titel. Ein Portal hat mehr mit Quake gemeinsam, als mit einem Puzzelspiel.
Für 5,- oder 10,- Euro opfere ich in solch modernen Titeln gern mal ein Stündchen, aber wie man für solche Werke freiwillig den vollen Preis bezahlt, ist mir schleierhaft. Ich hab bisher nur vermutet, dass ich solche Titel nicht mögen werde, aber die letzten Tage unterstreichen leider meinen Verdacht. Bedauerlich ja, aber auch nur ein Zeichen der Zeit. Das Geld liegt halt 2011 bei einer anderen Käuferschicht und nicht mehr bei ehemaligen Quake Spielern. Traurig allerdings, dass für so viele neue Spieler, eine so tief liegende Messlatte als gutes Produkt verkauft wird. Spielerisch ist ein modernes FPS – bis auf wenige Ausnahmen – ein großer Rückschritt. Gleichwohl gab es aber auch vor vielen Jahren unterirdisch schlechte Titel. Ähnlich wie diese, wird ein Black Ops lange in der Vergessenheit verschwunden sein, wenn Quake noch immer referenziert wird.
3 Kommentare
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global $hemingway ?>Ich bin gespannt auf Marcs Kommentar, auch wenn ich schon weiss, was er schreiben wird. :]
Ich spiele nicht sonderlich viel. Aber die Spiele, die mir am meisten Spaß gemacht haben, waren tatsächlich Quake III Arena, UT99 und Serious Sam. Alles andere hat mir irgendwie zu lange gedauert, bis ich reingekommen bin. Dafür war ich wohl zu ungeduldig.Der Vorteil an FPS ist auch, dass man das gut mal für ’ne halbe Stunde zwischendurch spielen kann. Und in der halben Stunde spielt man dann auch wirklich und wartet nicht, dass irgendwelche Zwischensequenzen vorbei sind.
Dank Steam habe ich vor ein paar Wochen auch mal Half Life 2 ausprobiert, weil das dort inzwischen doch recht billig ist. Das hat mich aber nicht wirklich lange gefesselt und ich habe nicht wirklich Lust, weiterzuspielen. Das ganze fühlt sich irgendwie mehr nach „Arbeit“ als nach „Spielen“ an, weil man sich denkt: Och, jetzt muss ich noch da das und das machen, damit ich weiter komme … lineare Erzählweiße halt.
Traurig leider auch, dass die Presse den Trend so massiv bejubelt. Hier sind 15 Minuten Gameplay vom meist gelobten Titel der diesjährigen E3:
Wo dort Gameplay versteckt sein soll, ist mir schleierhaft. Toll gemacht, aber wenig Spiel irgendwie.