Inception
Eigentlich war es nicht zu vermeiden. Nach The Dark Knight’s Erfolg war der Druck auf Nolan’s nächsten Film unvermeidlich groß. Über Inception war wirklich wenig bekannt. Das Drehbuch ist bis heute nicht zu lesen. Einzig die Trailer boten einen ersten Eindruck und der war auch meinerseits sehr gut, primär wegen Hans Zimmers eindrucksvoller Musik. Dafür ist der Oscar wirklich sicher. Die ersten Reviews waren mit Lob gefüllt und die Besucherzahlen in Amerika waren eine ernste Vorlage…und dann hab ich mir den Film angesehen.
Inception ist ein guter und sehenswerter Film, der aber ganz klar weder Meisterwerk- noch Kultstatus erlangen wird. Die Kritiken zu Inception waren auf den zweiten Blick nur von jener Generation ausnahmlos lobenswert, denen der Blick zurück fehlt. Alle erfahrenen respektive „älteren“ Autoren, unterstreichen einen deutlich bitteren Beigeschmack.
Für Inception muss man ein paar Schritte zurück gehen. Popfiktion 2010 ist zu 99% das Verwenden alter Rezepte mit wenigen neuen Gewürzen. Es heißt es existieren überhaupt nur sieben originelle Geschichten und mindestens drei davon sind in Inception verarbeitet worden. Mein Problem mit moderner Popfiktion ist zum Einen das Fehlen neuer Ideen und zum Anderen das zwanghafte Aufsetzen einer Meta-Ebene. In den letzten fünf Jahren ist der auf seine Zuschauer masturbierende Autor zum Leitbild moderner Fiktion geworden. Dem Internet sei Dank sind die Forennerds zum Marketing-Tool geworden, das der Autor mit aller Macht bedienen soll. Folge dessen, sind Geschichten und Details deren einzige Funktion es ist, die Forennerds zu beschäftigen. Meta einzig der Meta-Wirkung wegen. Vielen Dank Lost. Inception ist die logische Folge dieses Trends.
An dieser Stelle eine kurze Referenz zu Avatar, um das Problem noch deutlicher zu beschreiben. Wie Inception bedient sich Avatar uralter Ideen, aber Cameron stammt aus einer anderen Generation Genrekino, dass eben noch ohne aufgesetzte Meta-Ebene auskam und das obwohl das Grundthema viel offensichtlicher dafür geeignet ist. Inception verkompliziert eine extrem einfache Idee, nur weil Nolan es kann und weil es Trend ist. Besonders das Ende ist so zwanghaft auf den Zuschauer herabschauend, dass der Film für mich keine Chance mehr hat.
Wie viele andere Filme zuvor, spielt Inception mit dem Verwischen von Realität und Traum, ohne es nach langer Laufzeit aufzulösen. Das Gleiche macht Totall Recall auch, aber im Gegensatz zu Inception ist diese Ebene hier Nebensache. Es ist egal ob McQaid ein Agent ist. Die Geschichte ist aufgelöst und wirklich so passiert. Inception jedoch hält sich vor den Zuschauer zwei Stunden lang verarscht zu haben. Sowas ist 2010 also der Zenit von Fiktion.
Inception’s Details sind auch schwach. Es gibt sehr viele Löcher und Zufälle in der Handlung und für so viele Figuren existiert echt wenig Entwicklung. DeCaprios Cobb bekommt neue Details. Der Rest sind Prototypen die eine einzige Funktion besitzen und nie darüber hinaus kommen. Ellen Pages Charakter existiert nur, um uns die Regeln der Welt zu erklären. Nicht mehr und nicht weniger. Mir persönlich stößt das Übliche sauber auf. Schauspieler deren Optik das Schulalter nicht überschritten hat, sind nicht jene Helden, die ich gern für zwei Stunden betrachte. DeCaprio wird für mich ewig der niedliche kleine Junge bleiben, Ellen Page ewig das lockende kleine Mädchen aus Hard Candy und Joseph Gordon Levitt, steckt bei mir auch noch in seiner TV-Serien-Schablone fest. Tut mir leid, aber diese Darsteller funktionieren bei mir in so ernsten Rollen einfach noch nicht. Dafür fehlen ihn noch immer mindestens zehn Jahre.
Es ist spannend wie Nolan sich als Autor weiterentwickelt, besonders bei seinen Off-Franchise Projekten. Inception ist sehenswert, aber ein Film über den man in zehn Jahren kein einziges Wort mehr verlieren wird. Wer mit überhaupt keinen Erwartungen den Kinosaal betritt, wird gut unterhalten werden. Wer einen Meilenstein des Kinos erwartet, findet ihn bei Inception leider wirklich nicht.
13 Kommentare
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global $hemingway ?>Huch!Einen so abgeschmackten Rant habe ich hier ja noch nie erlebt und das alles weil Du Dich nicht mit den Charakteren bzw. ihrem Alter anfreunden kannst? Oder liegt es daran, dass eben Du das Meisterwerk erwartet hast und Deine Erwartungen zu groß waren?
Denn ganz im Gegenteil zu Dir finde ich es ganz wunderbar, dass der Film am Ende eben nicht auflöst, sondern dem Zuschauer Raum für seine eigenen Thesen lässt.
Und auch die Metaebene ist in keinster Weise aufgesetzt, Inception ist eine von zahllosen Höhlengleichnisgeschichten, und?
Wer sich diesen Film ansehen will, der sollte wissen, dass der Regisseur mit gezinkten Karten spielt. Sollte wissen, dass es sich um einen Streifen mit doppelten Böden und Täuschungen handelt, der sich rund um die »Was ist real?«-Frage dreht.
Natürlich ist Inception kein Kultfilm, dafür ist das Budget zu hoch und die allgemeine Positionierung (mit genug Popcorn-Sequenzen für den intellektuell weniger betuchten Zuschauer) einfach zu sehr im Mainstream.
Dennoch ist der Film so gut, dass ihm dieser Verriss hier nicht steht.
Also ein Verriss ist bei mir was anderes. Es ist nur ein Hinweis, dass man „nur“ einen Film erwarten sollte.
Ich kann verstehen, wenn man mit der Art und Weise viel anfangen kann, aber ich persönlich finde es zu schwach, nach zwei Stunden alles Vorherige nicht wirklich aufzulösen. Der Film mischt unglücklich Dogma des Helden und eigentliche Handlung. Natürlich kann man das machen, aber dafür ist die eigentliche Handlung im Film – der „Überfall“ – nicht belohnend genug.
Mit gezinkten Karten spielen ist ein sehr schönes Bild, um meinen Punkt weiter zu führen. Nolan spielt in der Tat mit diesen Mitteln, allerdings lacht er als Gewinner am Ende die Verlierer gnadenlos aus und das ist mein Fehler des Films. Das Material kann man unterschiedlich annehmen. Keine Frage hätte Inception auch wirklich düster, oder sehr seicht werden können. Am Ende ist es irgendwas dazwischen geworden. Das ist nicht schlecht, aber gefällt mir persönlich einfach weniger. Es ist zu einfach für jemanden wie Nolan, der bisher alle Werke immer richtig gut aufgelöst hat, besonders auch die beiden Batman Filme. Es gibt Platz für offene Enden, aber Inception ist für mich keiner davon.
Ein (am Durchschnitt gemessenes) komplizierteres Narrativ und zugleich die wohl logischsten und stringentesten Traumwelten seit den Sopranos— muss man auch erstmal schaffen.
Bis auf das subjektive Empfinden hinsichtlich der Darsteller sähe meine Kritik an dem Streifen recht ähnlich aus. Der Blick auf Avatar ist überhaupt nicht so verkehrt. Unter anderem weil auch jener Film – ebenso wie Inception – sich vor eine Weltenschaffung gestellt sieht und anstatt die grenzenlosen Möglichkeiten auszuschöpfen, stets im Bekannten verweilt. Obwohl es sich gerade bei Inception angeboten hätte, sah ich nicht einen Funken inspirierter, erhebender Vorstellungskraft. Nicht den entferntesten Anflug eines Versuches, Dinge anders zu gestalten oder zumindest gefühlt zu variieren. Das ist die eigentliche Enttäuschung für mich gewesen in Anbetracht der Beteiligten.
Danke für das Review. Ein gutes Gefühl zu wissen, dass man nichts Wesentliches verpasst.
Habe nur den Trailer gesehen aber der erinnert mich schon sehr an eine Mischung aus James Bond und Dark City. Wobei die Stimmung von Dark City deutlich intensiver ist.
Wenn es was gibt, was in einer anderen Generation Genrekino noch nicht gab und auf das man locker verzichten könnte, dann sind es Blogs und deren Kommentare. Verdammt wieso schreib ich hier eigentlich? Wieso wach ich nicht auf?
Entgegen den üblichen Vorurteilen, gibt es seit es Genrekino gibt, mal mehr und mal weniger solide Texte der Fans. Das Internet hat nur sichtbar gemacht, was schon immer da war. Ich selbst kenne es schon lange vorher von diversen Nischenmagazinen (X-Rated) und einem legendären Fundus an Filmfans genannt Filmbörse.
Wenn es überhaupt etwas am Internet zu kritisieren gibt, dann dass es eine Generation Leser geschaffen hat, deren eigene Meinung die einzig wahre zu sein scheint. Wunderbar wem Inception etwas Neues bietet. More power to you.
Toller Artikel. Allerdings nicht wegen dem Film. Traumsequenzen sind für mich das Armutszeugnis und Offenbahrungseid eins jedes Drehbuchautors. Nein, ich mag den Artikel, weil er für mich das erstemal ist, dass ich den Begriff „Popfiktion“ gelesen habe. Großartiger Begriff!
Und als strukturalistischer Ex-Narratologe bin ich von der Erwähnung der „sieben originellen Geschichten“ sehr angetan. Haste da ein bis zwölf Links zu?
Oh ja, Links zu den sieben originellen Geschichten wären in der Tat cool.
Nun also den Begriff „Geschichten“ hab ich hier offensichtlich zu allgemein verwendet. Einige Quellen sind hier präziser und differenzieren zwischen Grundthema und Handlungsschema. Macht für mich echt Sinn und ist ein toller Baukasten zur Analyse diverser Geschichten.
„The truth? You can’t handle the truth..“
OT: Ich muss das hier los werden. Was für ein wundervoller Blog. Einfach nur toll. Über wieso kannte ich ihn bisher noch nicht? Selbst schuld.
[…] gefunden zu haben. Ich bin kein großer Nolan Fan. Ich mag einige seiner Filme, andere wiederum treffen trotz toller Kritik nicht meinen Geschmack. Ich bin auch kein […]