Comfort Zone
Ich mag Details, die sonst kaum jemand zu sehen scheint. Ich kann minutenlang ein Glas Mineralwasser anstarren und werde dabei köstlich vom Spiel der Kohlensäure-Bläschen unterhalten. Jenes Ritual funktioniert für mich auch immer wieder als perfekter Ruhepol. Ich mag die Unsicherheit vielleicht gerade Gesprächsthema unbekannter Mitmenschen zu sein. Ich mag keine Menschenmassen. Ich hasse die Griffe von Einkaufswagen. Zu wissen wer da grad seine Spuren hinterlassen hat, nimmt jedoch etwas vom Ekel eines zuvor unbekannten Nutzers.
Ich mag eine blitzsaubere Tastatur. Ich mag kein Warten zwischen frustrierten Mitmenschen. Ich mag keine Zahnarztbesuche, liebe aber die wenigen Sekunden, wenn ich dem Behandlungszimmer mal wieder unbeschadet entkommen bin. Wenn ich schon mal ewig beim Arzt warten muss, mag ich es jenen älteren Mitmenschen zu lauschen, deren sozialer Mittelpunkt das Wartezimmer eines Arztes geworden ist. Ich mag den Gedanken all ihre Geschichten zu notieren. Ich mag es nicht, dafür keine Zeit zu haben.
Ich mag jene nervigen Werbefilmchen auf einer DVD, die mir legalem Käufer immer wieder eintrichtern wollen, dass „Piracy“ „Crime“ ist. In diesem Zusammenhang mag ich so herlich falsche Bilder, welche heutige Werbung von einer Nische hat. Ich mag, wie illegale Downloads immer in abgedunkelten Zimmern dargestellt werden. Ich mag heute Filme, die ich früher niemals freiwillig angeschaut hätte. Gleiches gilt für Musik. Ich mag Hip-Hop der 80er und 90er. Ich hasse aktuelle Beispiele dieses Genres. Ich mag es andere von meinem Mediengeschmack zu überzeugen. Ich mag wer meinen Geschmack teilt. Ich mag noch mehr, wer es nicht tut.
Ich mag es nicht Bücher zu Ende zu lesen. Ich mag es Bücher in der zweiten Hälfte selbst im Kopf fertig zu schreiben. Das geschriebene oder gesprochene Wort, bleibt bei mir dem bewegten Bild immer überlegen. Ich mag schlechte Filme, besonders wenn dabei am Ende die Protagonisten halbnackt in den Resten ihrer Feinde stehen. Ich mag die immer gleiche Geschichte erzählt zu bekommen. Figuren auf dem Bildschirm oder der Leinwand emotional zerbrechen zu sehen mag ich, wahrscheinlich weil es für mich bisher eher eine seltene Erfahrung ist.
Ich mag mein Sternzeichen. Fische seien Träumer heißt es und dies stimmt leider. Ich mag diese Geschichte und besonders das zweite Foto im Artikel.
Ich mag keine Freitage. Donnerstage sind wertvoller. Ich mag den erst unsicheren Blick des Zollbeamten, wenn ich mal wieder meine Asien-Päckchen vom Zollamt abholen muss. Ich mag es, zur Belustigung aller Anwesender, kunterbunte japanische Verpackungen aus dem Umschlag zu zaubern. Ich mag den enttäuschten Blick des Zollbeamten, doch keine waffenfähiges Plutonium verzollen zu müssen.
Ich mag als unangenehm geltende Pausen, beim Dialog mit anderen. Wenigstens bekommt man in dieser Zeit nichts Schlimmes zu hören. Ich mag As Good as It Gets noch mehr, als zur Zeit des Artikels damals. Ich mag wie der Film es schafft, innerhalb weniger Sätze seine Figuren immer wieder in eine komplett andere Richtung laufen zu lassen. Ich mag wie eine der unsympathischsten Figuren der Kinogeschichte, das wundervollste Kompliment formuliert.
Irgendwie mag ich kein Frühstück. Ich bin zu sehr Morgenmuffel, um schon so früh Spaß an der Nahrungszubereitung zu finden. Ich mag Kaffee immer weniger. Seit Jahren gewinnt die Milch in der Tasse einen immer stärkeren Anteil. Kaffee tut sich immer schwerer, seinen Raum zu verteidigen. Ich mag den Regen im Herbst. Regen während der restlichen Zeit muss nicht sein. Ich mag das bunte Schimmern jener Ölflecken, die undichte Autos in Pfützen hinterlassen. Eigentlich mag ich auch jene älteren Verkehrsteilnehmer, über die man sich eigentlich aufregen muss, weil sie übervorsichtig ein Dorn im Auge aller übrigen sind. Ich mag wie sie diese Ruhe symbolisieren, die der Rest von uns überhastet und vergeblich verfolgt.
Mit Blick auf den Rest des Jahres mag ich keine Weihnachtszeit. Ich mag es nicht, dafür keine logische Begründung zu haben. Meine Erinnerungen an früheste Weihnachten der Kindheit, haben die Messlatte zu hoch gelegt und das mag ich eigentlich schon wieder. Ich liebe die Heimfahrt Heiligabends zum Haus meiner Eltern, je später umso besser. Zu dieser Zeit sieht man oft nur noch Gleichgesinnte, die dem Konsumrausch entkommen sind und nur ihre Ruhe haben möchte.
Ich mag den Gedanken, solche Texte nun zu einem weiteren Teil des Blogs zu machen.
11 Kommentare
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global $hemingway ?>Ich mag den Gedanken, weiterhin solche Texte zu lesen.
Danke, aus meines Herzens Herzen: Danke!
Ich musste lächeln.
Ich mag das auch auch mal für mich schreiben.
Ich mag dich.
ich mag nicht der sechste kommentar sein, der eigentlich nur das gleiche wie alle vor ihm sagt. ich bin es trotzdem. besten dank.
Hast dich von Franzi inspirieren lassen? Danke übrigens für den Hinweis auf ihre Ecke des Internets. 🙂
Inspirieren klingt so furchtbar steril. Einige solcher Texte sind semi-fertig in einem bisher unagetasteten Google-Docs-Ordner. Bisher sah ich wenig Wert darin, diese hier zu veröffentlichen, was sich hiermit erstmal geändert hat. Mal schauen was passiert. Inspiration würde ich es nicht nennen, aber definitiv Entscheidungsanstoß, für den ich explizit Danken muss.
Schön, und es würde mich freuen, mehr solcher Texte lesen zu dürfen.
so toll das ich eigentlich keine worte dafür finde.ich habs gern gelesen und werde es bestimmt nochmal lesenich mag lesen und ich lese Bücher gern zu ende 🙂
Danke für den Text!