Raiding Your Business
Ha! Eine Überschrift, die den Anschein erweckt, es handle sich hier nicht um einen World of Warcraft-Text, in Wahrheit aber doch einer ist oder so ähnlich. Es geht nicht direkt um ein MMO, aber indirekt. In einer Zeit, bei der teilweise Jahrhunderte alte Großunternehmen, im Sekundentakt die Segel streichen, ist es erwähnenswert, dass viele Kluge Köpfe das Modell eines MMOs, als zukünftige Schablone für Unternehmensführung sehen. Das mag Illusion oder Wunschtraum sein, aber ich sehe gerade selbst bewiesen, wie gut diese virtuellen Welten, die echten doch illustrieren. Worum geht’s?
Ein MMO im Stil eines World of Warcraft ist ein überzeichnetes Abbild der realen Geschäfftswelt. Eine Gruppe von Menschen handelt koordiniert, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Wie im echten Leben, entscheidet zu 100%, wie die Gruppe geführt wird, ob man das Ziel erreicht oder verfehlt. Die aktuelle Führung meines Raids ist ziemlich bemerkenswert und bisher wirklich effektiv in ihrer Arbeit. Man sollte hier auch nicht unterschätzen, wie groß der Aufwand für diese Leute ist. Ich schätze die eigentliche Spielzeit ist nur ein Bruchteil der Zeit, die sie brauchen, um den Raid effektiv am Laufen zu halten.
2009 hat sich auch sehr viel geändert und auch hier sehe ich Parallelen zur echten Welt. Meine erfolgreichsten Raids vor vielen Jahren in EverQuest waren geprägt von echten Tyrannen, als teilweise einzige Spieler mit den Zügeln in der Hand. Was menschlich damals die Regel war, ist heute einfach unakzeptabel.
Stattdessen sehe ich derzeit absolute Kontrolle der Führung, ohne dabei mit Mitspielern wie mit einem Rohstoff umzugehen. Echte Probleme gab es noch nicht, aber man griff schon ein, als ich Schwierigkeiten auch nur ankündigten. Mittlerweile verteilt man ganz gezielt wichtige Aufgaben (Lootverteilung, Zuweisen von Aufgaben bei einem Boss, Bosserklärung) , auf normale Mitglieder. Noch bin ich in dieser schützenden Blase eines neuen Mitglieds, aber irgendwann wird es auch mich treffen.
Erstaunlich ist auch der Verlauf eines Raids selbst. Im Schnitt sind 2 bis 3 Stunden Raids angesetzt. Effektiv sind es vielleicht 70% der Spielzeit. Der Rest sind sehr gut verteilte Pausen. WoW ist so transparent, dass man sehen kann, wann Spieler konzentriert spielen und wann nicht. Sobald man sieht es läuft nicht, setzt man eine sehr ordentliche Pause an, bei denen alle explizit aufgefordert werden, Abstand vom Bildschirm zu nehmen. Zusätzlich verteilt man die jeweiligen Ziele (Bosse der Instanz) mit Sorgfalt: die einfacheren Aufgaben werden aufgehoben, um Spieler zu motivieren, wenn die schweren Augaben dieser Woche nicht gelöst werden können.
Kritik an einzelnen Spielern kommt. Jede Rolle im Raid hat immer mindestens einen sehr kompetenten Leiter, der klare Ansagen macht und bei Fehlern auf mal den Finger auf einzelne Verursacher zeigt. Wipes werden nicht ewig in die Länge gezogen. Wir haben schon nach 2 Sekunden im Kampf gezielt abgebrochen. Das klingt erstmal sinnlos, macht aber Sinn, wenn man sich die effektive Spielzeit über Wochen und Monate anschaut. Gezielte Wipes ohne sinnloses in die Länge ziehen, bringt einem effektiv gesehen allein in einer ID-Woche sicher 4 oder 5 zusätzliche Versuche. Wenn Zeit kostbar ist, sollte man so handeln.
Es gibt noch mehr. Für einen Raid in WoW entstehen relativ hohe laufende Kosten, möchte man die Maschine immer effizient und sauber am Laufen halten. Der aktuelle Raid, hat hier ein System entwickelt, was vorbildlich ist. Zum einen bietet man Spielern die Möglichkeit essentielle Dinge wie Verzauberungen, Buff-Food und andere Consumables zu konkurrenzlos günstigen Preisen zu bekommen, auf der anderen Seite gibt es immer wieder Wettewerbe, bei denen Spieler Rohstoffe spenden dürfen. Hierbei kann der Spender wiederrum sehr gute andere Items oder DKP gewinnen, was lächerlich einfach klingt und lächerlich effizient ist. Diese Woche wird wieder ein Mammut, ein Chopper und 5.000 Gold verlost, an jeweils einen Spieler verlost.
Es sind wie so oft die kleinen Dinge, welche den großen Unterschied machen können.
7 Kommentare
Für diesen Eintrag wurden die Kommentare geschlossen.
global $hemingway ?>WOW! Unglaublicher Artikel! Ich bin noch ziemlich geplättet und weiß noch nicht so recht welche Konsequenzen ich daraus ziehen soll.
Was mich spontan interessiert:1. Welchen Einfluß hat die gildeninterne Politik auf die Führung der Raids?
Der Raid ist nicht an eine Gilde gekoppelt, was extrem hilfreich ist, da Gildendramen fern vom Raid gehalten werden. Der Ansatz war da, aus dem Raid eine komplette Gilde zu machen, aber die Mehrheit wollte dies absolut nicht.
Bisher gab es erst einen Vorfall, eines Spielers, der offensichtlich egozentrisch gehandelt hat. Er blieb keine 5 Minuten mehr im Raid und wurde sofort ausgewechselt – ja es ging um Loot wie so oft. Zugegeben, die Führung hat dort nur so reagiert, weil sie es konnte, sprich ein Ersatz sofort zur Stelle war. Grundsätzlich wird Kritik der Spieler während eines Raid sofort unterbunden und wird aus dem Spiel ins Forum bzw. in den Voice-Chat verlagert. Wenn wir raiden soll es keine Ablenkungen geben.
Egozentrisches Verhalten der Führung selbst, ist mir bisher nicht untergekommen. Ich kenne nur einen der Führung bisher genauer und bekomme das Gefühl, dass dort sehr erfahrene Leute aktiv sind, die es nicht nötig haben egozentrisch zu handeln. Wenn es der Fall wäre, würde die Führung auch dort auswechseln können.
Beeindruckend bleibt für mich primär das Handhaben von Rohstoffen für den Raid. Man meldet im Forum was man braucht und bekommt keine 24 Stunden später Post im Spiel mit den Gegenständen und einem Preis der bezahlt wird, wenn der Spieler die Mail öffnet. Da nimmt jemand sehr viel Aufwand auf sich, der sich aber langfristig auszahlt. Jeder in diesem Raid ist immer extrem gut vorbereitet, was solche Dinge betrifft.
Das ist ja noch wahnsinniger, dass es sowas außerhalb von Gilden gibt. Wie findet man denn da überhaupt zusammen? Also gerade vor dem Hintergrund, dass da a) sehr erfahrene Spieler sitzen, die b) auch noch reichlich Vorarbeit reinstecken.
Grundsätzlich zeigt das aber zwei Wahrheiten aus „Getting Real„. Nämlich, dass a) halbherzige Werkzeuge und Arbeitsbedinungen zu einem halbherzigen Produkt führen, und dass b) man nur Wenige braucht, davon aber die Besten.
Das hört sich ja echt nach einer Traumwelt an, zumindest etwas wovon andere nur träumen können 😉Die Frage ist halt immer: was passiert, wenn die (wahrscheinlich recht guten) Spieler der Raidleitung merken, dass sie mit dem aktuellen Stamm über einen gewissen Fortschritt nicht hinaus kommen können? In meiner Erfahrung war es öfter dieses Problem, als egozentrische Raidleiter, was den Anfang vom Ende darstellte. Gerade ohne gemeinsame Gilde handelt es sich ja eher um eine lose Bindung.Was das Bereitstellen von Material etc. angeht, sehe ich ehrlich gesagt kaum Notwendigkeit. Zu BC-Zeiten waren das echte Probleme, aber heute? Tränke (Mana / Buff) wurden quasi abgeschafft (max. 1 pro Kampf; zumindest als Heiler spart man den meistens auf und braucht ihn dann nicht mal), Buff-Food braucht man nicht mehr (1 Fischmahl reicht für 25 Leute), Waffenöl wurde abgeschafft, Kosten für Flasks sind absolut im Keller und außer an echten Progressabenden droppen die Bosse mehr Gold als man zum Reparieren braucht. Und für die 1-2 neuen Items pro Woche kann man sich die Kosten für VZ und Sockel gerade noch leisten 😉
Die laufenden Raidkosten sind definitiv höher, als einem normalen Spieler lieb sein sollte. Es geht ja auch um Hard-Modes, die man nicht mal so aus dem Hut zaubert, sondern bei denen man auch mal wieder richtig wiped. Allein dadurch entstehen nicht zu verachtende Kosten, die zusammen mit Buffs-Zeugs auf’s Gemüt des normalen Spielers drücken.
Fläschchen-Preise sind auf meinem Server genau wie die Zutaten (Frostlotus) fest in der Hand von Händlern (mich eingeschlossen) und steigen kontinuierlich. Jeder im Raid zahlt 10 Gold für 1 Fläschchen. Im AH laufen die Preise zwischen 40 und 50 Gold. Besonders sparen tut man bei Verzauberungen, die ich im Raid zu einem Achtel des AH-Preises bekommen kann. Ohne gestützte Preise, würde ich deutlich Gold verlieren, oder ich müsste unfertig zum Raid erscheinen.
Dies ist der erste Raid, bei dem ich ganz selten einen einzelnen Spieler finde, der nicht vollständig vorbereitet ist (Buffs, Verzauberungen, Edelsteine). Auch wenn es nur kleine Schritte sind, gerechnet auf den kompletten Raid entsteht hier ein Vorsprung, den man für anspruchsvollere Aufgaben, schlicht nicht ignorieren darf.
Ich weiß nicht wie andere es handhaben, aber ich sehe es sehr ungern massiv Gold im Spiel durch Raids zu verlieren. Ohne die Raidkasse, würde ich es derzeit, auch weil es praktisch nicht mehr möglich ist, mit wenig Aufwand gut im AH zu verdienen. Vor dem letzten Patch konnte ich mit 10 bis 20 Minuten Aufwand im AH locker 200 bis 300 Gold pro Tag verdienen. Heute für mich unmöglich – leider.
Nebenbei: Noch was witziges, was 37signals machen. Jeder Mitarbeiter bekommt eine Kreditkarte und darf damit kaufen, was er möchte. Auch für Privates. Einzige Bedinung: Er muss den anderen davon erzählen.
Als ob ich nicht schon deprimiert genug mit meinem Arbeitsumfeld bin. x_x