das schlechte Vorbild
Gestern Nacht noch schnell gelesen und gedanklich mit ins Bett genommen. Ich habe kein Argument gegen Nico’s Meinung. Muss ich auch nicht, denn ich vermute hier betrachten zwei Personen, die gleiche Sache, aus verschiedenen Richtungen. Ganz klar ist es kein Trend und sicher kein Vorbild nun jeden Inhalt online so aufzubereiten, wie ich dass die letzten Tage gemacht habe und auch weiter machen werden. Klar leidet die Lesbarkeit und sicher entstehen ganz neue Probleme, aber darum geht es mir persönlich erstmal nicht.
Wenn man sich in einem guten Zeitungskiosk umschaut, findet man dort die größte Vielfalt. Wer reine Informationen sucht, greift zu schnöden Tageszeitung. Wer etwas mehr Farbe und Gestaltung sehen mag, greift zur Wochenzeitung/-magazin. Übrig bleiben die Spartenmagazine. Jene Blättchen mit einem Nischenpublikum, dass lieber Hochglanzbilder statt tausender Worte sehen möchte. Es gibt die gedruckte Information, die über das schlichte Wort hinaus geht.
„Who are you? What are you doing here and why are you doing this?“
Dem sensiblen Leserauge mag auffallen, dass die letzten Einträge alle sehr viel kürzer im Umfang sind. Das ist mein Kompromiss für dieses Format. Niemand mag 2000 Wörter über texturiertem Hintergrund lesen. Da bluten die Augen schon ab der Hälfte des Textes.
Ein weiterer sehr wichtiger Ansatz ist für mich RSS. Die Masse der Stammleser kommt nur zum kommentieren auf die eigentliche Seite. Gelesen wird nur der RSS-Feed. Insofern leidet die „reale“ Lesbarkeit eigentlich überhaupt nicht. Sicher mag das ein Um-die-Ecke-Denken sein, aber es ist die Realität. Zum einen möchte ich jenem, der mehr als den RSS-Feed liest „belohnen“.
mehr als Pixel
Ich bin Mediengestalter. Mein Aufgabengebiet umfasst mehr, als das Gestalten von Seiten am Bildschirm. Noch immer landet die ein oder andere ganz klassische Aufgabe auf dem Schreibtisch: Visitenkarten, Briefbögen, Flyer, Bröschüren, Poster und so weiter. Auch hierfür gibt es klare Regeln der Gestaltung. Einige besser, andere schlechter als für das Web. Objektiv gesehen, gibt es aber viel weniger Grenzen als beim Arbeiten mit Online-Inhalten. Ich kann tausende Schriften benutzen und professionelle Layoutprogramme wie Adobe’s Indesign erlauben Dinge, von denen man auf einer Webseite nur träumen kann.
Auf der anderen Seite ist der normale Auftrag für eine Website, im Kern immer die gleiche 0815 Sache. Irgendein mittelständisches Unternehmen möchte seine 10 Jahre alte Comic-Sans-Tabellen-Website aufpoliert haben. Natürlich soll alles schön billig und „seriös“ sein. Seriös bedeutet hierbei, man orientiere sich zu 99% an einem Mittbewerber und ändere hier mal einen Font, dort eine Farbe. Experiemente oder wirklich Neues wird radikal mit einem „Gefällt uns nicht“ bestraft. Auch Zeitintensiveres, so gelungen es auch sein mag, möchte und kann hier niemand bezahlen.
Zum einem macht es das Arbeiten effektiver, weil man praktisch immer nur ein Template abwandeln muss, aber es frustriert, weil der eigene Anspruch nicht bestätigt und/oder belohnt wird. Einfach formuliert: ich muss viele Tage im Monat billigen Mist entwickeln und brauche als Ausgleich dann mittlerweile mal die eigene gestalterische Spielwiese, um nicht völlig die Lust an der Arbeit zu verlieren.
das Totschlagargument
Entscheidend für mich selbst ist ganz klar der Spaß an der Sache. Popcore Revolution hat viel mehr Zeit benötigt als eigentlich vertretbar, aber glücklicherweise muss ich mich selbst nicht bezahlen. Ich habe Ewigkeiten nicht mehr wirklich illustrativ gearbeitet und es war ein echter Segen. Diese Seite ist im Original so detailiert, dass ich problemlos eine vollständig druckbare Version exportieren könnte. Die Grafiken sind zu 90% im Original alles Vektorgrafiken. Das Auto ist aus einem Screenshot ausgeschnitten und vektorisiert worden. Jahre nicht gemacht und alles funktioniert noch wie damals. Scheint wie Fahrradfahren, man verlernt es so schnell nicht 🙂
Ohne Frage sind die letzten Einträge nicht die feine Schule des effektiven Webdesigns, aber es ist, was mir momentan die größte Freude beim Erstellen neuer Inhalte bereitet. Es ist kein Trend. Es ist kein Vorbild für andere. Es ist von der Nische, für die Nische. Einigen gefällt es, anderen nicht. Damit kann und muss ich leben. Meine eigene Seite ist mehr denn je gestalterische Eigentherapie, ohne Vorbildfunktion.
Für die Zukunft bzw. für das nächste große Update hier, welches intensiv auf den Ansatz individueller Gestaltung setzt, werde ich die Option zum Wechsel ins Standarddesign anbieten. Wer dann mit zu vielen Farben und Texturen überfordert sein mag, darf den Schnick-Schnack abschalten. Hierzu kommt ein Folgeartikel, denn der Vergleich von Print und Web ist ein würdiges Thema, um ins Detail zu gehen.
13 Kommentare
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global $hemingway ?>Ist ja auch mehr der ben_, der die Designrevolution ausgerufen hat, die Du nun zu relativieren suchst.
Ich für meinen Teil war mal wieder komplett weggeblasen von den Artikel-Designs. Auch ein Grund warum ich sicherheitshalber bei Coldheat-Artikeln den FeedReader verlasse um das eigentliche Blog zu besuchen. 😉
Manchmal muss man einfach das machen was möglich ist,und ich freu mich jedes mal wieder wenn ein Artikel das in Perfektion tut 🙂
Darf man eigentlich fragen, wie das Ganze technisch gelöst ist? Also die Unterscheidung der CSS Datei die verwendet werden soll, für das jeweilige Thema.
„Ich muss viele Tage im Monat billigen Mist entwickeln und brauche als Ausgleich dann mittlerweile mal die eigene gestalterische Spielwiese, um nicht völlig die Lust an der Arbeit zu verlieren.“
Danke für diesen Satz. 1000 Dank!
Und jetzt zur Sache: Deine Bescheidenheit ehrt Dich und es scheint mir eine gute Tradition unter Blogger zu sein, Dinge zuersteinmal für sich selber zu machen. Wenn es andere toll finden: Fein. Wenn nicht: Auch gut. Aber ich glaube, dass hinter deinen Versuchen tatsächlich mehr auf uns wartet.
Du und alle hier Lesenden dürfen nicht vergessen: Print liegt im Sterben. Die journalistische Landschaft, die wir seit unserer Kindheit kennen, wird verschwinden. Sowohl real in eingestampften Titlen, als auch schlicht in der Aufmerksamkeit der Leser. Wir werden weiterhin mehr und mehr online lesen und weniger und weniger im Print.
Typographie und Gestaltung aber – und an dieser Stelle hole ich meinen Lieblingsheiligen hervor – ist nicht einfach nur Lesbarkeit. Typographie und Gestaltung formen unser Konzept „Text“, beeinflussen unsere Idee davon und unseren kulturellen Umgang damit.
Und bei aller Liebe Christian, Dein persönlicher Wunsch Mehr aus einem Blogeintrag zu machen; mehr Gestaltung hineinzulegen, mehr Arbeit zu invesiteren ist doch eben genau das: Mehr. Es führt uns zu einer reicheren Idee von „Text“; zu einem anspruchsvolleren und mächtigeren Werkzeug. Und die Tatsache, dass neben mir immerhin noch ein paar andere Leute schwer begeistert waren, zeigt, dass es eine Wunsch nach einem solchen Mehr gibt.
Uuund: Auch wenn es Jason Santa Maria (Ich muss überigens ständig an Skye Dumont denken) vielleicht vorher schon besser oder schöner oder was weiß ich nicht wie gemacht hat: Mir und immerhin schon einigen anderen hast Du gezeigt, dass es geht, und dass es sauber geht. Das ist durchaus mehr als Eigentherapie.
Relativ einfach. WordPress bietet die Option zum normalen Inhalt eines Artikels Spezialfelder anzulegen. Dieses Felder nutze ich, um einem Artikel eine eigene CSS-Datei zu geben. Alle artikelspezifischen Daten (CSS, Javaskript, Flash, Grafiken) liegen in einem separaten Order. Hier habe ich es damals versucht zu dokumentieren.
@ben_: auch wenn Print „im Sterben“ liegen sollte, das Kernproblem warum es abwärts geht, ließe auch Online langrfristig leiden. Zeit ist ein wertvolles Gut – also nicht nur eure Zeit, sondern unsere gemeinsame ;P Es braucht halt etwas mehr Aufwand, wenn es abwechslungsreich sein soll, sowohl bei Inhalt und bei Form. Sofern irgendwo jemand hier her verweist mit der Bemerkung „Schau was machbar ist.“ habe ich mein Ziel schon weit übertroffen.
@Chris: Ja. Aber. Unterschätze bitte nicht die Macht des Netzes. Ich möchte mich fast aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass 90% aller großartigen Dinge im Netz von keiner Firma und außerhalb wirtschaftlicher Zwänge entstanden sind und gemacht werden.
Blogs sind doch das beste Beispiel. Mit der Ankunft der ersten simplen Blogsysteme ist die Bereitschaft der Leute, unentgeldliche Texte ins Netz zu stellen geradezu explodiert. Blogs sind – Robert Basic – mal ausgenommen doch eigentlich völlig un-wirtschaftliche Dinge. Aber die Leute lieben sie und deshalb stecken sie Aufwand rein. Und weil sie sie lieben und man den Aufwand sehen kann, lieben wir Blogs. Was sollte uns davon abhalten Blogs zu machen, die so gut aussehen wie die Geo?
Glaubst Du einen Garten zu haben, lohnt den Aufwand?
Zum Thema „Garten im Netz“ und „Spielewiese, um nicht völlig die Lust an der Arbeit zu verlieren“ bin ich im überigen eben auf einen etwas ältere Pisto-Artikel aufmerksam gemacht worden: Der virtuelle Schrebergarten
[…] wie ich hier so gelesen habe, “leben” wir doch in der Blogosphere in einem virtuellen Schrebergarten […]
Die Legende lebt weiter: Pinball Dreams auf dem iPhone…
1992, Amiga: Ein paar Demoszener (The Silents) bringen unter dem Label Digital Illusions ein Flipper-Game auf den Markt, das einschlägt wie eine Bombe: Pinball Dreams. 2009, iPhone: 17 Jahre nach dem Release des originalen Amiga-Bestsellers knallt es …
Du sag mal: Hat diese Trend eigentlich einen richtigen Namen? Sowas wie „Single Article Design“, oder so?
Nein, weil es kein „Trend“ ist, sondern im Prinzip eine Grundlage die einfach im Laufe der Jahre mehr und mehr ignoriert wurde bzw. online überhaupt erst mit neuen Technologien (CSS, CMS) möglich wurde. Es kann kein Trend werden/sein, weil es relativ viele Fähigkeiten vereint und dies keine Eigentschaft des durchschnittlichen Bloggers ist. Twitter ist so populär geworden, weil es schnell und einfach ist, und nicht weil es viel Sorgfalt und hohen Aufwand erfordert.