Toboldgate – Vom Blogger zum Kritiker und wieder zurück
Viel Substanz gibt die Blogsophere zu MMORPGs seit Monaten nicht her. Da passt Toboldgate wunderbar ins Weltbild. Worum geht’s? Tobold seines Zeichens populärer MMO-Blogger bekommt von Mythic einen kostenlosen Zugang für Warhammer Online, berichtet darüber und wird so nicht zu Unrecht Thema für sehr viele weitere Blogeinträge, der üblichen Verdächtigen. Auch ich habe bei ihm, mehr als einen sehr kritischen Kommentar verfasst. Die Frage drängt sich hier offensichtlich auf: sind wir schon soweit, als Blogger Anspruch auf solchen Dinge zu haben, ohne an Glaubwürdigkeit einzubüßen?
Auch ich sehe hier absolut keinen direkten Einfluss auf Tobold’s Warhammer-Texte. Er ist nicht umsonst so populär geworden, schreibt er doch vielleicht die besten Texte, die eine Brücke schlagen zwischen Hardcore und Casual. Nicht umsonst hat Mythic genau jene Seite gewählt. Es gibt dutzende viel bessere Casual- und dutzende bessere Hardcore-Blogger, nur keinen der hier einen gesunden Mittelweg findet. Tobold schafft es.
Es ist auch verständlich, dass Tobold sich hier geschmeichelt fühlt und das Angebot annimmt. Hier jedoch hätte er für meinen Begriff anders reagieren sollen. Ein eigener WAR-Account wird ihn nicht verarmen, was also wäre sinnvoller, als den geschenkten Account einem Leser zu geben. Damit wäre dieses Thema völlig klein gehalten, er hätte sich viele Nerven gespart, einen Leser glücklich gemacht und ein Signal gesetzt. Nun jedoch, muss er mit dem Vorwurf leben, als Blogger dem Sell-Out vefallen zu sein.
kein Einzelfall
Dies wird langristig kein Einzelfall bleiben. Blogger werden bzw. sind schon jetzt PR-Tools für Studios wie Mythic. Das erste Studio was ganze explizit Blogger als Werbemaßnahme erkannt hat, war in diesem Genre mal wieder Blizzard. Blizzard hat es wie kein anderer verstanden, die Hardcores durch populäre Namen mit Informationen zu versorgen. Fires of Heaven, damals die #1-Gilde in EverQuest, verlässt erst mit einem Drama das Spiel, um fortan exklusive WoW-Informationen zu veröffentlichen. Jeder damalige EQ-Raider, wurde somit aus erster Hand angelockt und es hat funktioniert. Noch bevor WoW offiziell launched war, gab es einen Exodus bei EQ-Raidgilden. Der offizielle Kanon bei allen damals „See you in World of Warcraft.“ Populäre Einzelspieler und Gilden funktionieren also schon jetzt perfekt als günstiges Werbemittel.
Werbemittel. Tobold dagegen setzt sich seit Toboldgate den Hut des Kritikers auf und argumentiert, dass alle Kritiker ihre Produkte geschenkt bekämen, wieso also nicht auch MMO-Blogger? Zum einen sind wir Blogger keine Kritiker, zum anderen hat Mythic nicht allen üblichen Verdächtigen Accounts gesponsort, sondern nur wenigen. Warum also nicht das Offensichtliche unterstellen?
Viel wichtiger ist jedoch überhaupt der Gedanke, den Anspruch der offizellen Kritik für sich zu verbuchen. Blogger sind Blogger und mehr nicht. Ich kann generell ganz wenig mit einem Review, einer Kritik zu einem MMO anfangen, da dies ein Produkt ist, was sich nicht einfach simplen Regeln unterordnen lässt.
Reviews zu MMOs in den normalen Medien? Unbrauchbar weil zu wenig gespielt. Reviews zu MMOs bei Blogger? Unbrauchbar weil zu sehr Tunnelblick. Jeder der von einem Review zu einem solchen Produkt ein langfristig korrektes Urteil erwartet, sollte die rosarote Brille absetzen. MMO-Reviews sind Momentaufnahmen einer endlos langen Aufführung. Schick für den Moment, wertlos für das große Ganze.
Kritik versaut
Was Blogs überhaupt so wertvoll macht, ist bzw. war der Ansatz der völligen Unbefangenheit. Nichts muss, alles kann. Ein Produkt/Service über den Joe Normal in seinem Weblog schreibt, hebt sich schon nur den diese Tatsache ab, dass sich jemand Zeit nimmt um ohne Gegenleistung darüber eine Meinung zu verfassen.
Egal ob ein Tobold oder wer auch immer es abstreiten mögen, aber die offizielle Haltung ein Kritiker zu sein, versaut die Unbefangenheit. Jeder der proffesionell Kritiken verfasst (und besonders zum Medium Videospiele) wird diese Tatsache bestätigen können. Man geht vollkommen anders ein ein solches Produkt heran, wenn man nicht dazu ein Review schreiben muss. Sofort greifen im Kopf Mechanismen, die beim normalen Spieler nicht unbedingt existieren müssen. Kritik leidet immer am Ansatz die proffessionellere Meinung formulieren zu müssen. Kritik ist immer zu einem gewissen grad Arroganz. Kritik in Blogs ist deswegen so populär, weil hier das Maß an Arroganz noch gering ist, jetzt zu sehen, dass wir auch hier anfangen die Ungefangenheit mit Füßen zu treten, dann verlieren Blogs als Plattform an Wert.
Mythic fails
Um das Thema nochmal zu konkretisieren, ein Blick zurück zu Warhammer Online. Das Spiel wird diese Woche veröffentlicht. Die einzigen Reviews die man bisher lesen kann, sind von inoffizieller Seite sprich Weblogs. Alle großen einschlägigen Magazine, haben bisher keine Reviews veröffentlicht. Zufall oder Absicht? Alle „Review“-Texte bisher lassen sich ungefähr so zusammenfassen „meh“ oder wie es diese Texte ausdrücken: „kaufen“. Ach und wer auf meine Warhammer-Texte wartet, wird noch ganz lange warten müssen. Warhammer-Beta ist genau wie schon formuliert: meh – ein weiteres MMO in der Post-WoW-Ära.
Been there, done that.
3 Kommentare
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global $hemingway ?>Ich lese Tobold’s Blog nun schon seit über 3 Jahren, und habe auch die ganze Toboldgate Geschichte (ich vermeide hier bewusst den Begriff Affäre) mitbekommen, ebenso deinen Kommentar letzte Woche.
Tobold spielt seit jeher mit offenen Karten, das gehört zu seinen eisernen Prinzipien die er wie kein anderer verfolgt (siehe auch seine aktuelle Entschuldigung an GOA wegen der vertauschten Betakeys).Der freie Zugang zur US-Version von WAR kam für ihn überraschend, vor allem weil man jetzt zum ersten mal von solchen ‚Bribes‘ an Blogger hört, die für die eigentlichen Journalisten gang und gäbe sind. Er wusste nicht recht, wie er damit umgehen soll, und hat die Sache über sein Blog kommuniziert und zur Diskussion gestellt.
Ich rechne ihm diese Offenheit sehr hoch an, auch wenn (oder gerade weil) er sich dem Kreuzfeuer der Kritiker aussetzt. Die Kritik ist berechtigt, ein erster Eindruck der Befangenheit muss er sich gefallen lassen, und er muss seine Unabhängigkeit erneut beweisen, was ihm auch gelingen wird.
Bedenklich ist nur, dass er als einziger Blogger die Karten auf den Tisch legt. Ich bin überzeugt, dass schätzungsweise ein Dutzend solcher Gratisaccounts an Blogger verteilt wurden, mit der Konsequenz dass ich denen nun Befangenheit vorwerfe, von denen ich annehme dass sie solch einen Account geschenkt bekamen, das aber nun vertuschen (ich würde meine Grossmutter drauf wetten, dass Keen & Graev ebensoeinen Account besitzen).
Tobold wird übrigens über seinen EU-Account spielen, für den er auch wie jeder normale Spieler zahlt. Problematisch ist nur, dass er, auch wenn er mal seinen EU-Account cancelt, jederzeit mal auf seinem Gratis-US-Account reinschauen kann wie sich das Spiel so entwickelt, und darüber bloggen wird. So erkauft sich Mythic zwar keine Meinung, aber zusätzliche Presse.
Sie verkaufen damit die beste Presse überhaupt. Die Hardcores werden in spätestens 2 Wochen WAR auseinandernehmen und schreiben, wie leer das Endgame ist. Davon wird man kaum kontinuierliche Presse erwarten können, auch nicht mit kostenlosen Accounts. Tobold dagegen… nun bei ihm klingen sogar böse Kritiken toll und er lässt sich Zeit. Langfristig gesehen der wertvollere Blog.
Trotzdem bleibt ein Beigeschmackt, dass man A) nur ganz gezielt Accounts verschenkt B) Blogger als eigenständiges Presse-Werkzeug erkennt und benutzt und C) sicherlich auch diese Diskussion mit einkalkuliert hat.
Blogger werden schon seit langen von den PR-Agenturen anerkannt als Werbemittel. Nichts anderes macht eine PR-Agentur bei der Presse auch. Blogger sind bisher aber für eine Mainstreamwerbung zu sehr eine Randzielgruppe.
Alles hat VOR- und Nachteile 🙂 Ach ja: Lese auch Tobold.